Neue Begriffe braucht der vernetzte Mensch!

Nach dem sich bereits zu unserer letzten These, nach der das menschliche Denken zunehmend vernetzt und digital funktioniert, eine lebhafte Diskussion entwickelte, besteht ja noch Hoffnung auf eine Wiederbelebung der Diskurs-Kultur in diesem Land. Wurde die Neuland-Kanzlerin bei den Wahlen noch beinah kommentarlos durch gewunken und zur nächsten Runde ihres Regierunspokers mit häufig wechselnden Spielpartern getragen, wollte bei mir das Prinzip Hoffnung schon ausführlich Pause machen. Aber nichts dergleichen scheint angebracht, angesichts immer neuer Mitglieder im Chor der Rufer nach einer neuen Aufklärung - von Heiner Geissler bis Sascha Lobo.

Allerdings dringen sie alle in ihren Forderungen und Überlegungen nicht zu einem, gerade in diesem Zusammenhang wesentlichen Punkt vor: Ein neues, digital aufgeklärtes Denken, verlangt nicht nur den Mut, selbst zu denken, es verlangt vor allem auch eine entsprechende, neue Begrifflichkeit, Kategorien, die es uns erlauben, das Neue auch wirklich als solches zu fassen und zu verstehen. Es geht hier überhaupt nicht darum, sich Neologismen auszudenken, im Gegenteil besteht die Aufgabe hier darin durchaus bekannte Kategorien mit neuen, den veränderten Bedingungen entsprechenden, Bedeutungen und Zusammenhängen anzureichern, wollen wir nicht hoffnungslos der Gegenwart gedanklich hinter hinken, um schließlich ins intellektuelle Niemandsland zu entschwinden.

These 9: Begriffe und Erfahrungen aus der analogen Vergangenheit werden dieser, sich dynamisch weiter entwickelnden Gegenwart immer weniger gerecht. Sie wirken in der aktuellen Debatte ebenso naiv wie unpassend oder überheblich. In jedem Fall aber hilflos.

Und noch eine Schwierigkeit gilt es zu meistern, die insbesondere in der aktuellen Debatte um das Internet immer deutlicher zum Vorschein kommt: Wir sind kulturell und sprachlich auf das, was wir heute erleben, in keiner Weise vorbereitet. Begriffe und Vorstellungen der Vergangenheit wirken angesichts der uns heute so eindrücklich begegnenden Veränderungen seltsam unpassend, ja antiquiert.

Wer sich heute noch einmal der Mühe unterzieht, die großen Medien- und Technologiedebatten nachzulesen, die zwischen den 60er und den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts ausgetragen wurden, wird schnell bemerken, wie unzeitgemäß sie uns inzwischen erscheinen. Die „Aufreger" von damals, ob Privatfernsehen oder Volkszählung, entlocken uns heute nicht einmal mehr ein Gähnen. Neue Medien sind heute nicht mehr neu, sondern Schnee von gestern, und für Datenschutz muss heute im Zeitalter von NSA und WikiLeaks jeder selbst sorgen, will man nicht ganz freiwillig darauf verzichten.

Wer das Internet gar, wie Jaron Lanier, für „Maoismus" hält und sich von der Informationsflut überfordert fühlt, wie Frank Schirrmacher, wirkt heute nicht einmal mehr naiv, sondern allenfalls hilflos.


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