Digital Natives und warum es sie eigentlich gar nicht gibt

Heute bin ich daran mich für das verspätete Erscheinen der 7. These an dieser Stelle zu entschuldigen. Wir sind einfach zu spät aus den Bergen Südtirols zurück gekommen, um sie noch rechtzeitig zum Sonntag veröffentlichen zu können. Deswegen will ich auch keine weiteren Umschweife machen, sondern gleich in medias res gehen.

Einer der erfolgreichsten Begriffe der jüngeren Internet-Geschichte ist zweifellos der der Begriff "Digital Natives". Ob das an der ebenso ungenauen wie romantischen Vorstellung von den "Eingeborenen" einer Digitalen Welt liegt, oder einfach am hübschen Klang der Worte will ich an dieser Stelle einmal dahin gestellt sein lassen. Jedenfalls wurde er insbesondere gern von Menschen benutzt, die sich ansonsten keinen Deut um das Internet, dessen Entwicklung und deren Protagonisten kümmern würden. Aber dem Charme der Begrifflichkeit und ihrem Wohlklang konnten oder wollten sie sich einfach nicht entziehen. Also versuchen wir hier in aller Kürze etwas Licht in die nebulöse Begrifflichkeit zu bringen.

Wenn wir die, im Zeichen von Digitalisierung und Vernetzung grundsätzlich veränderte heute eingehender anschauen, kommen wir nicht umhin festzustellen, dass sie zwar um ein vielfaches komplexer, deswegen aber nicht unbedingt komplizierter und schwerer zu meistern geworden ist. Es ist im Gegenteil durchaus bemerkenswert zu sehen, wie diese Welt für die einen sogar bequemer und einfacher zu bewältigen geworden ist, während andere an ihrer Komplexität schier verzweifeln. Erstere sind die "Digital Natives", letztere ihre Antipoden, die "Digital Immigrants", Immigranten der Digitalen Gesellschaft, so zu sagen.

Beide können zwar durchaus gleich alt sein, auch aus dem gleichen Kulturkreis kommen, doch ansonsten verbindet sie nicht viel. Insbesondere unterscheidet sie eine grundsätzlich andere Geisteshaltung gegenüber Innovationen und dem Neuen generell. Während erstere neugierig auf alles Neue sind, haben letztere davor großen Respekt, sie sorgen sich vor allem um die Folgen der Innovationen. Grundsätzlich handelt es sich bei ihnen um eher ängstliche Menschen, die die sich ständig und mit immer größerer Geschwindigkeit verändernde Welt mit Sorgenfalten auf der Stirn betrachten:

These 7: Das Leben in einer derart grundsätzlich anderen Welt wird damit komplexer, aber nicht komplizierter, sondern einfacher.

Ganz anders stellen sich solche disruptiven Momente für die Nutzer der neuen Technologien und Medien dar, die gerade vor ihren Augen entstehen: Da sie die Folgen weder absehen noch managen müssen, können sie die neuen Möglichkeiten einfach genießen. Oder sie können sich für den Versuch entscheiden, sie zu verstehen.

Das ist in einer Welt, die sich gerade in diesen disruptiven Momenten grundsätzlich neu und anders darstellt, sicher nicht ganz leicht, aber allemal ein Versuch wert. Denn im Erfolgsfall winkt immerhin die Erkenntnis, dass das Leben in einer derart gewandelten Wirklichkeit zwar komplexer werden mag, aber damit nicht notwendig komplizierter oder gar schwieriger werden muss. Im Gegenteil: Wer die neuen Errungenschaften richtig zu nutzen versteht, oder bereit und in der Lage ist, das Neue zu erlernen, dem können sie das Leben auch einfacher oder reichhaltiger gestalten.

Die Voraussetzung dafür ist allerdings die Bereitschaft, sich selbst einer gehörigen Anstrengung auszusetzen.

In der nächsten Folge werden wir sehen, wie sich unter den veränderten Bedingungen der globalen Digitalisierung und Vernetzung auch unser Denken fundamental verändert.

Buchcover: Digitale Aufklärung - Warum uns das Internet klüger macht, von Ossi Urchs & Tim Cole

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