Wir alle denken vernetzt (und zunehmend) digital

Wenn sich durch den Einfluss von globaler Vernetzung und umfassender Digitalisierung unser aller Leben so grundsätzlich ändert, wie wir alle es täglich erleben, stellt sich unwillkürlich die Frage, wie unser Denken mit diesen Veränderungen Schritt halten kann. Das kann eigentlich nur funktionieren, wenn unser Denken der neuen Situation strukturell entspricht. Und das tut es tatsächlich: Wir alle denken seit eh und je in vernetzten Strukturen.

Ebenso wenig, wie wir allein und isoliert (über-)leben können, können wir uns unser Dasein allein und als "Monade" vorstellen. Wir sind es gewohnt uns in Gesellschaft vorzustellen, und sei es in Antagonismus zu einem Gegner. Und je mehr digitale Strukturen Einzug in unsere Wirklichkeit halten, desto mehr wird uns das Denken in binären Strukturen zur "zweiten Natur". Dies gilt es zu realisieren und für unsere weitere Entwicklung als Gesellschaften und als Individuen zu nutzen. Darin keinen Widerspruch, sondern sich ergänzende Strukturen zu sehen, bedeutet allerdings schon für sich eine gehörige Anstrengung, die mit "gesundem Menschenverstand" allein nicht zu bewältigen ist.


These 8: Auch der Mensch und sein Denken verändert sich grundsätzlich: Er funktioniert und denkt zunehmend digital und vernetzt. Und das in „Echtzeit".

Ganz im Sinne von Peter Sloterdijks Aufforderung „Du musst dein Leben ändern " geht es heute andauernd und immer wieder um die (geistes-)athletische Übung, das eigene Denken neu zu gestalten. Wenn schon nicht direkt hilfreich, dann doch tröstlich mag bei diesem anstrengendem Training die Gewissheit sein, dass die heute aktuelle Lektion vor allem darin besteht, digitale und vernetzte Systeme zu erfassen und geistig zu durchdringen, also eigentlich so zu funktionieren wie das menschliche Denken selbst, in dem ja auch unterschiedliche sensorische Impulse zu einem (vernetzten) Welt- und Selbstbild synthetisiert werden. Das menschliche Denken funktioniert, darin sind sich Kognitionswissenschaftler heute weitgehend einig, so wie ein digitales Netzwerk.

Das hat nun nichts mit der naiven Vorstellung der frühen Aufklärung zu tun, nach der der Mensch wie eine Maschine („Automaton") funktioniere. Im aktuellen Fall geht es vielmehr darum, Strukturen und Funktionsweisen externer, technischer Systeme als ähnlich denen unseres Denkens zu verstehen und auszubilden. Es geht weniger um eine „Internalisierung" im psychologischen Sinn, sondern um die Erkenntnis bestehender „Differenzen" - also um Informationsverarbeitung in einem durchaus menschlichen Sinn. Die eigentliche Schwierigkeit besteht dann auch weniger in der Aufgabe der Informationsverarbeitung selbst, als vielmehr darin, sie zu bewältigen, also mit ihr klar zu kommen, während solche disruptiven Entwicklungen stattfinden, um von ihrer Dynamik auch profitieren zu können.

Buchcover: Digitale Aufklärung - Warum uns das Internet klüger macht, von Ossi Urchs & Tim Cole

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