2 Meldungen und (k)eine Logik?

Gestern liefen 2 Meldungen durchs Netz und erzeugten erheblichen "Buzz", die nur auf den ersten Blick nicht mit einander zu tun hatten: Nokia fürchtet die "Kostenlos-Kultur" des Web im Mobilen Netz. Und Apple soll angeblich Interesse haben Twitter zu kaufen.

Nokias Furcht scheint zunächst verständlich und wirtschaftlich rational gedacht: Bislang waren die abgeschlossenen Systeme im Mobilfunkbereich übersichtlich und berechenbar: Provider und Hersteller wie Nokia fuhren ein "integriertes" Geschäftsmodell. Zusätzliche Dienste, wie z. B. SMS, wurden über die Mobilfunk-Rechnung der Provider an den Kunden weiter gereicht, der scheinbar willig und selbstverständlich dafür zahlte. Eine gut geschmierte "Win-Win-Situation" für die beteiligten Unternehmen, für die der Nutzer-Kunde zahlte. Und das soll auch so bleiben - meint zumindest Nokia.

Doch dann kamen die ersten mobilen Endgeräte, die wirklich eine Internet-Nutzung erlaubten: Zuerst das iPhone und dann der etablierte Rest der Branche, der nun krampfhaft versuchte, Apple als "New Kid on the block", den Erfolg streitig zu machen. Bislang mit wenig Erfolg - was auch und insbesondere für die Geräte des unangefochtenen Branchenprimus Nokia gilt.

Denn der iPhone-Erfolg liegt nur zu einem geringen Teil an dem kultigen Gerät selbst, auch wenn Funktionalität und Nutzer-Interface bis heute alle Nachahmer in den Schatten stellt. Die eigentliche Attraktivität liegt in Apple's erprobter "Öko-System-Strategie" aus Anwendungen und Inhalten. Und was schon einmal mit der iTunes Software und dem iTunes Shop funktioniert hatte, das funktionierte erst recht mit dem iPhone und dem App Store: 1 Milliarde Downloads in 7 Monaten sind ein mehr als eindeutiger Erfolgs-Beleg.

Dabei hatte Apple mit dem App Store, wie schon vorher mit dem iTunes Store keineswegs, die nun von Nokia bemaulte "Kostenlos-Kultur" befördert, im Gegenteil: der iTunes Store richtete sich explizit gegen die kostenlosen Tauschbörsen im Web. Sonst hätte er wohl auch nicht die Unterstützung der Musik-Industrie gefunden. Allerdings tat er das auf der Grundlage einer kostenlos verbreiteten und einfach zu bedienenden Software, die so schnell die notwendige Verbreitung über alle (Betriebs-)Systemgrenzen hinaus erreichte. Und der Store selbst stand für alle interessierten Musik-Produzenten und Labels als neuer und profitabler Vertriebskanal offen - nicht nur für die marktbeherrschenden Majors - was dem erfolgreichen "Long Tail" zu Gute kam.

Das alles funktionierte auf der Basis offener (Web-) Standards. Auf der gleichen Grundlage und der gleichen Mischung aus kostenlosen und kostenpflichtigen Komponenten eines funktionierenden digitalen Öko-Systems führte Apple nun auch den App Store zum Erfolg. Dass diese Strategie sich sogar für die Entwickler kostenloser iPhone Applikationen durchaus wirtschaftlich rechnet, hat Techcrunch gerade vorgerechnet und belegt. Und was sich daran zeigt, markiert die Charakteristik einer innovativen "Sharing Economy", die sich gerade im Web entwickelt.

Und genau darin liegt auch der Charme von Twitter als einer möglichen, zukünftigen "Killer-Applikation" für das iPhone: Der Dienst (und die Software) selbst sind (und bleiben) für die Nutzer kostenlos und mit dem offenen Twitter-API hat sich bereits ein eindrucksvolles Öko-System aus Anwendungen und Diensten rund um Twitter gebildet. Und nicht zuletzt wird twittern erst mobil und unterwegs richtig schön. Wie mit anderen kostenlosen iPhone Apps ließe sich damit sogar Geld verdienen. Doch das ist gar nicht der Punkt, denn darauf wäre Apple, anders als viel kleine Software-Entwickler nicht einmal angewiesen.

Viel interessanter und lukrativer ist auch in diesem Zusammenhang die erprobte iTunes Strategie: Twitter selbst bleibt offen und für jeden Nutzer, mit welchem Endgerät auch immer nutzbar. Allerdings wird er in der Oberfläche und Funktionalität optimal auf das iPhone abgestimmt sein. Und so entwickelt der schnell wachsende "Micro-Blogging" Dienst einen unwiderstehlichen Sog für das iPhone: Wenn auch alles andere auf diesem Gerät so einfach und intuitiv funktioniert wie mein "cooles" Twitter, dann will ich unbedingt dieses genau so coole Lifestyle-Phone dazu haben. Mit anderen Worten: Twitter soll für den iPhone-Absatz das werden, was iTunes für den iPod war: ein Umsatzgarant, nein: ein Umsatz-Treiber.

Und genau diesen, zugegeben etwas komplexen, Zusammenhang von kostenlosen und offenen sowie kostenpflichtigen Komponenten einer erfolgreichen "Sharing Strategie" hat die, aus der behüteten Mobilfunk-Welt stammende, alte Tante Nokia nicht mehr verstanden. Schade, eigentlich.

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