Das Böse ist immer und überall - Frank Schirrmacher und die Echtzeit

"Wenn man keine Ahnung hat", so lautete ein vor Jahren in der Entwickler-Szene populärer Spruch, "einfach mal Klappe halten!" Und genau das hätte man sich am Wochenende wieder einmal vom unsäglichen Frank Schirrmacher gewünscht. Als der nämlich unter dem kryptischen Titel "Die Echtzeit wartet schon" (Worauf eigentlich? Auf den Autor? Gar den Leser?) seine konfuse Attacke auf die Informationsgesellschaft in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung fortsetzte.

Dass Herr Schirrmacher das titelgebende Phänomen im folgenden keiner weiteren Erklärung mehr würdigt, mag eben daran liegen, dass er davon keine Ahnung, dafür aber umso schlimmere Ängste davor hat. Ebenso wie vor Handys (natürlich von Google!), die nicht nur Apfelsinen (!), sondern auch Menschen erkennen können. Und vor "Software", die die Identität eines Menschen auf sein T-Shirt "projiziert". Eine üble Sache. Böse, böse, diese Software! Davor muss man sich als Mensch, als Journalist gar, einfach fürchten!

Noch gefährlicher sind nur "Algorithmen", die bekanntlich einst zur Terrorbekämpfung entwickelt, jetzt dreist auch für eine "vorhersagende" Suche verantwortlich zu machen sind. Ganz schlimm! Insbesondere wenn man daran denkt, wie viele unschuldige Moderatoren bei "Astro TV" durch so eine Gemeinheit jetzt arbeitslos werden.

Und damit ist Schirrmacher auch schon beim Ursprung all derartiger Übel angelangt: dass nämlich "das Internet" (na endlich!) hier zu Lande immer nur als Medium debattiert wird. Und nicht etwa als technologischer Gottseibeiuns, der gemeiner Weise auch noch dafür sorgt, dass jetzt sogar "Werbeträger" wissen, "wie Blogs funktionieren". Was wiederum dazu führt, dass damit auch gleich "die Kommunikation", seltsamer Weise ohne auch nur ein bischen medial zu werden, "industrialisiert" und "ausgebeutet" wird. Und dafür kann nur einer, oder besser: eines verantwortlich sein. Sie ahnen es schon: Computer! Denn die sind "Sadisten"!

"Das zu erkennen wäre ein erster Schritt." Und genau so lautet denn auch der einsame, gedankliche Höhepunkt von Schirrmachers hier versammelten Erkenntnissen. Danach folgen zwar noch viele Wörter, aber nur wenig Neues - bis auf den resignativen Schluss, dass in einer inzwischen völlig computerisierten Welt, eben alles "nur Berechnung" ist. Das zu begreifen, aber, so weiß Schirrmacher ganz und gar kulturkritisch anzumerken, "dauert lang".

Und wenn man sich, nach diesem Trommelfeuer journalistischer Echtzeit-Ergüsse, ebenso verwirrt wie erschöpft, fragt, wie lange es dauern mag, bis der Autor auch die bekannt komplexen Zusammenhänge zwischen Medien und Werbeträgern, Sadisten und Algorithmen ergründet hat, wünscht man sich nichts anderes zu Weihnachten als einen Schirrmacher, der die eingangs zitierte Weisheit nicht nur versteht, sondern auch beherzigt.

weisheit_des_jahres.mpg

4 Kommentare

# Ulrich Tekniepe | 21.12.09

"Dahinter steckt immer ein kluger Kopf". Hm. Schirrmacher will sein Buch verkaufen, in dem derselbe zukunftsängstliche oder zukunftsfeindliche Mist steht. Weihnachten mit Sch.'s Buch den letzten Bratapfel mampfen, der nicht von Google kontaminiert ist. Und dabei die (letzte?) FAZ lesen. Heimelige Vorstellung. Macky hat ein Messer, doch man sieht es nicht. So war es in den 50- und 60-er Jahren mit "dem Atom". Man sieht es nicht. Bald ist es "die Cloud". Der Seher Sch. sieht sie schon heute, jedenfalls hat sie seinen klugen Kopf verschattet. Damit ist er in seiner Branche nicht allein. Die Zeitungszaren sind in Panik. Wer an noch mehr Gestammel von diesem Herrn interessiert ist, findet Zitate und Links in meinem Blog.[http://www.tekniepe.com/heute/blogdetail.php?blogid=130]. Schöne Feiertage.

# Maurice Morell | 21.12.09

Urchs, klasse!

# goodnight | 21.12.09

Total indiskutabel. Reines Gelaber von Urchs. Sehe diesen Artikel auch kritisch, aber entscheidende Fragen bleiben: wir wissen nix von Google und Echtzeitsuche verändert womöglich politisch Entscheidungen mehr als wir glauben - zumindest wenn die Ergebnisse von SPON oder FAZ.Net ausgewertet werden. Kein Gegenargument bei Urchs.. Auf der Ebene wirds langweilig, wenn das hier nicht nur dem Urch sein Geschäftsmodell nutzen soll.

# Jinger | 2.01.10

Kernaussage zum Buch als nicht Internet-Native: Die Doofen bleiben doof auch mit Internet - schade eigentlich!

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