Google Chrome OS - The New Kid On the Block

Gestern überschlugen sich die Blogosphere, wie auch die Mainstream-Medien mit martialischen Attributen für das gerade angekündigte Computer-Betriebssystem von Google: Chrome OS sei ein "Frontalangriff" auf Windows, das "Anti-Windows", oder gar von der "Atombombe" gegen Microsoft (Techcrunch) war die Rede. Nichts von alledem ist der Fall.

Wirft man nur einen kurzen Blick auf die Ankündigung von Chrome OS im offiziellen Google-Blog, versteht man sofort, worum es eigentlich geht: Um einen neuen Typ von Betriebssystemen. Und das ist, nicht nur für Google, sondern für die gesamte PC-Industrie und vor allem für die Nutzer, eine sehr viel weiter reichende Perspektive, als lediglich ein "besseres" Windows.

Es geht um nicht mehr und nicht weniger als darum, die Art und Weise wie wir alle mit einem Computer und dem Internet arbeiten neu zu definieren: Google Chrome soll ein webbasiertes Betriebssystem werden, gedacht für all jene, die ihre Zeit überwiegend im Web verbringen, die dort arbeiten und lernen, sich informieren und unterhalten, kurz, für diejenigen, die im Web leben. Das mag sich, selbst heute noch, da der durchschnittliche deutsche Webnutzer täglich ca. 2 Stunden online verbringt, nach einer kleinen, radikalen Minderheit anhören. Es ist aber die konkrete Perspektive für immer mehr Menschen in immer Situationen von immer unterschiedlicheren Interessen bewegt, diese im Web zu realisieren.

Anfangs war das Internet lediglich für einige Wissenschaftler von Interesse. Dann gesellte sich die Wirtschaft zu den Interessierten. Und schließlich waren es die privaten Nutzer, die dem Web zu seinem Durchbruch als neues, digitales Massenmedium verhalfen. Und heute hat sich eine neue Generation von Web-Nutzern, nein genauer: von "Web-Bewohnern", die Rede ist natürlich von den "Digital Natives", entschieden, das Web zu ihrem universellen Instrument der Lebensführung zu machen. Für sie ist das Web also weit mehr als ein herkömmliches "Medium", sondern eher ein "Universalschlüssel" ihrer Lebensführung und ihrer Lebensentwürfe geworden.

Und dazu ist ein vor mehr als 25 Jahren konzipiertes Gerät wie der PC (nebst der entsprechenden Betriebssysteme), selbst in seiner mobilen Inkarnation als Laptop, nur bedingt geeignet. Der PC war und ist in erster Linie eine lokale Rechen- und Produktivitätsmaschine, dazu gedacht und (bedingt) auch geeignet uns die tägliche Arbeit zu erleichtern bzw. produktiver zu gestalten. Apple hat dann als erster PC-Hersteller auch zuerst erkannt, dass Arbeit uns leichter fällt, also auch produktiver werden kann, wenn sie uns Spass macht. Und damit den Grundstein für digitale "Endgeräte" gelegt, die nicht allein mit Arbeit, sondern auch mit Spass und Freizeit, also mit dem ganzen Leben und unserem so genannten "Lifestyle" in Verbindung gebracht werden. Welcome iPod und iPhone!

Und inzwischen differenzieren sich die für das Web und den vernetzten Lifestyle der Digital Natives genutzten digitalen Geräte genau so wie die Inhalte, die Nutzer und die Nutzungssituationen beim "ubiquitären" Gebrauch des Internets. Allein an den herkömmlichen PC-Betriebssystemen ist die Entwicklung, bis auf Apples OS X, weitgehend spurlos vorüber gegangen. Zwar wurden Internet-Protokolle und Netzwerk-Funktionalitäten integriert, aber eben immer als neue, zusätzliche Möglichkeiten, die zu den genuinen Funktionen hinzu kamen.

Heute sieht das Nutzungs- wie das Funktionalitäts-Szenario digitaler Geräte aber grundsätzlich anders, ja entgegengesetzt aus: Die Vernetzung ist die eigentliche Grundlage und Voraussetzung für alle anderen Funktionen, die digitale Geräte ansonsten noch aufweisen mögen. Diese Funktionen sind also nichts anderes als Anwendungen oder "Applikationen" der Vernetzung. Und genau dieser grundsätzlich anderen Funktionsweise und Philosophie des "Internet-Zeitalters" soll das Chrome OS nun Rechnung tragen.

Mit zahlreichen Implikationen: Wenn die wesentliche Funktionalität eines Gerätes in seiner Vernetzung besteht, dann sollten auch alle anderen Anwendungen des Gerätes ins Netz verlagert werden, bzw. im Netz abgearbeitet werden. Das Gerät sollte Funktionalität wie Inhalte aus dem Netz beziehen und sie nach Gebrauch und Beendigung der Aufgabe auch wieder dorthin auslagern um für neue Aufgaben zur Verfügung zu stehen. Das klingt nicht nur nach einem "Cloud-Computing" Konzept, das ist eine grundsätzliche Ausweitung und Vertiefung der ursprünglich damit bezeichneten Idee.

Mit allen Vorteilen und Risiken, die damit verbunden sein können und werden. Das fängt bei der Sicherheit der Daten von Unternehmen und dem Schutz der "digitalen Spuren" der Nutzer und ihrer Privatsphäre an und hört bei der Verfügbarkeit von Anwendungen und Funktionen in der Cloud noch nicht auf. Ob und wie Googles Chrome OS in Verbindung mit der dazu notwendigen Infrastruktur der "Cloud" all das zur Zufriedenheit der Nutzer erledigt, wird für den Erfolg des Konzepts wie des Betriebssystems entscheidend sein.

We'll keep you posted!

2 Kommentare

# recipient | 9.07.09

Über den militaristischen Jargon der Berichterstattung zum Thema Chrome OS mag mag ja streiten, aber inhaltlich sehe ich überhaupt keinen Widerspruch zu deinem Beitrag. Im Gegenteil.

Microsoft fürchtet das Web, weil es im Gegensatz zum Windows-dominierten Desktop im wesentlichen auf offenen Standards basiert. Insofern ist jeder weitere technologische Schritt vom Desktop hin zum Web auch automatisch ein Schlag gegen Microsoft. Und ein brauchbares Chrome OS des Web-Riesen Google wäre zweifellos ein großer Schritt.

Natürlich wird Windows nicht über Nacht von den Computern dieser Welt verschwinden. Aber das Geschäftsmodell Microsofts, das ja vor allem auf Marktmacht statt Innovation basiert, wird so nicht mehr lange funktionieren.

Ich denke, da darf man als Journalist schon von einer Kampfansage sprechen.

# ich wessi | 26.08.09

wisst ihr ossies wie ihr im ausland unbeliebt seit

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