"Internet-Manifest": Wie Journalismus heute funktioniert

Einen durchaus bemerkenswerten, wenn auch nicht durchgehend gelungenen, Text, haben einige im Social Web durchaus namhafte Kollegen unter eben diesem Titel veröffentlicht und also zur Diskussion gestellt. Dessen Lektüre sei hier ausdrücklich empfohlen!

Dennoch kann ich mir die eine oder andere Bemerkung, ohne jeden Anspruch auf eine vollständige oder gar systematische Kritik, nicht verkneifen. Denn nirgendwo wird im Manifest, die Behauptung im Titel, nämlich zu erklären, wie Journalismus, zumindest im Internet, heute funktioniert oder doch funktionieren sollte (auch das ist immer noch ein himmelweiter Unterschied!), eingelöst. Und das ist schade.

Denn genau das, wäre, angesichts der auch hier zu Lande weit verbreiteten Verleger-Propaganda im Stil eines Hubert Burda (der sich inzwischen auch "Dein" Mandant Steinmeier angeschlossen hat, Sascha!), dringend notwendig: Worin besteht heute, angesichts einer strukturell gewandelten Öffentlichkeit, von der Habermas zu seiner Zeit nicht einmal träumen durfte, die gesellschaftliche (Bitte nicht "gesellschaftsbildende" - was soll das denn sein?) Funktion des Journalismus?

Sicher nicht mehr darin, Informationen und Nachrichten zugänglich zu machen. Sicher auch nicht mehr darin, Meinungen aus Politik und Wirtschaft öffentlich Gehör (und Wirksamkeit) zu verschaffen. Verlautbarungs-Journalismus ist heute so überflüssig wie ein Redaktionsschluss. Für beides können Nutzer, so sie denn daran interessiert sind, trefflich selbst sorgen.

Welche Funktion also bleibt dem Journalismus? Nun, eigentlich genau die, die ihn schon immer ausgezeichnet: Publizistische Kompetenz. Also die Einordnung, Interpretation und Bewertung von Ereignissen in einen nicht auf den ersten Blick ersichtlichen Zusammenhang. Auch das will gelernt sein, kann aber auch gelernt werden. Und zwar nicht nur auf Journalisten- oder gar "Medien"-Hochschulen. Das beweisen nicht zuletzt Millionen von Bloggern, "Twitterati" und anderen "Social-Web"-Nutzern tagtäglich aufs Neue. Zumindest, wenn die besagten Ereignisse in ihrem persönlichen, beruflichen oder einem ihrer anderen Umfelder geschehen sind.

Ist das nicht der Fall, sind wir alle immer noch auf andere "Vermittler", Nutzer oder Journalisten, Twitter oder Google, angewiesen. Allerdings ist mit dieser Funktion, die früher einmal aus gutem Grund "Recherche" hieß, heute keine mediale (Meinungs-) Macht mehr verbunden: Dem Web und seiner Link-Struktur sei Dank! Today information does not only "want to be free", information is free.

Deshalb ist das Internet auch kein "Medienimperium", schon gar nicht in irgendeiner "Westentasche" (wem sollte die wohl gehören?), übrigens sehr zum Leidwesen der Herren Burda und Murdoch. Wäre es eines, könnten sie (oder andere, talentiertere ihres Schlages) sich seiner bemächtigen und müssten die Öffentlichkeit nicht mit ihren abstrusen Forderungen belästigen. Die wiederum nichts mit Journalismus und schon gar nichts mit dessen Qualität zu tun haben, sondern einzig und allein etwas mit der dahin gehenden wirtschaftlichen Macht der "Old Media Economy".

Aber das ist ein anderes Thema. Bleiben wir also beim Journalismus und dessen "Qualität", die nach Eurer Meinung dessen "wichtigste" ist. Aha. Deswegen sollen wir alle wohl auch lernen, "qualitativ" zwischen gutem und schlechtem Journalismus zu unterscheiden. Ich will mich nun wahrlich nicht über die "Qualität" (sic!) solcher Tautologien auslassen. Denn auch ich weiß: Humor ist, wenn man trotzdem lacht.
Aber einen Hinweis, und wenn auch nur einen klitzkleinen, dazu, worin denn Eurer Meinung nach dieser Unterschied heute besteht, denn hätte ich mir schon gewünscht.

"Qualität!" war einmal die Kampfparole des gutbürgerlichen Journalismus gegen den frechen "Boulevard". Diese kann es also nicht sein. Sodann war "qualitativ" auch schon immer ein gern bemühtes Argument, für so gut wie alles, was sich quantitativ nicht belegen oder gar nachweisen ließ: "Qualitative" Sozialforschung, anyone? Heute auch gern als "Trendforschung" euphemisiert. Das will ich Euch nicht unterstellen. Also: Worum geht es dann?

"Das Internet", so schreibt ihr, "macht es möglich, direkt mit den Menschen zu kommunizieren". Alsdann: Ich bitte darum! Denn ansonsten finde ich Eure Aktion durchaus richtig und sympathisch.

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