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Von ossiu am 07.05.05

Trends im Online Marketing

Seminar an der Bayerischen Akademie für Werbung (BAW), im Mai 2005

Trends gibt es im Internet wie Sand am Meer. Beinahe jedes Quartal wird ein „neues Schwein durchs Dorf getrieben“. Und zwar zur Schlachtbank. Denn nichts ist schnelllebiger als Trends im Internet. Und doch gibt es Konstanten, Parameter und Paradigmen, die die „kommerzielle Kommunikation“ im Internet definieren.

"Panta Rei" – alles fließt, nannten die Griechen dieses Phänomen und meinten: Alles bleibt gleich, gerade indem es sich andauernd verändert. So wie ein Fluß zwar immer der gleiche bleibt, während jeder Wassertropfen darin in jedem Moment ein anderer ist. Und genau so verhält es sich auch mit der kommerziellen Kommunikation im Internet-Zeitalter: Indem sich alles verändert, bleibt sie – in gewisser Weise – gleich.

Es geht darum, den anderen Menschen, den Kommunikationspartner, zu erreichen. Das Ziel der Kommunikationsbemühung also bleibt das gleiche, während die Mittel, um zu diesem Ziel zu gelangen, in den letzten Jahren einem radikalen Wandel unterworfen waren, den Tim Berners-Lee, der Vater des World Wide Web, auf den Begriff gebracht hat:

"The Web brings the working of society closer to the working of our minds."

Doch bevor wir uns dieser Zukunftsaufgabe widmen, bleiben wir noch einen Moment bei den aktuellen Kennzahlen der Internet-Wirtschaft: Heute steigen nicht nur die Retail-E-Commerce-Umsätze (in Deutschland in 04 auf € 22,3 Milliarden; Quelle: Forrester, GfK, HDE), auch die Ausgaben für Werbung im Internet nehmen – im Gegensatz zu allen anderen Medien - zu (in Deutschland in '04 ca € 555 Millionen; Quelle: Nielsen Media Research, BVDW) – trotz aller Krisen, ob an den Börsen oder in den Köpfen der Analysten, die das Netz noch vor kurzem hochjubelten.

Interessant dabei: Das Missverhältnis zwischen den Zahlen. Während inzwischen jeder zweite Deutsche zwischen 14 und 64 im Internet einkauft (GfK) beträgt der Anteil der Online-Werbung am gesamten Werbeaufkommen in Deutschland nach wie vor nur 3% (Nielsen/BVDW).

Obwohl es sich kein Unternehmen mehr leisten kann, auf die Kommunikation seiner Aktivitäten im Internet zu verzichten, hat sich diese Erkenntnis noch nicht im Werbeaufkommen niedergeschlagen. Wie lohnend richtig gemachte Online-Werbung sein könnte, zeigen die aktuellen Zahlen zur Internet-Nutzung:

- Über 800 Millionen Menschen haben derzeit Zugang zum Internet, 35 Millionen davon allein in Deutschland (Quellen: NUA, GfK);
- Ca. 6 Milliarden „Seiten“ im Web
- 60 Millionen Web-Domains/ 8,5 Millionen .de
- 2004 in D E-Commerce-Umsätze von € 22,3 Milliarden .
- $ 12 Milliarden: Online-Werbe-Volumen weltweit

Das Internet hat sich – allen Unkenrufen zum Trotz – zu Beginn des 21. Jahrhundert also zu einem veritablen Massenmedium entwickelt, in seiner Verbreitung, zumindest in den USA und Europa nur noch mit dem TV vergleichbar – was für das Werbeaufkommen allerdings noch nicht gilt.

Zu einem Massenmedium "neuen Typs" allerdings. Waren in allen bisherigen, "linearen" Massenmedien "Sender" und "Empfänger" prinzipiell voneinander unterschieden, so gilt dieses Kommunikationsparadigma im Internet nicht mehr: In diesem "interaktiven" Massenmedium kann jeder Nutzer sowohl Sender wie auch Empfänger sein und so prinzipiell jederzeit mit jedem anderen Nutzer in Austausch treten. Und je reifer und entwickelter das Internet und seine Nutzer sind, desto mehr wird sich dieses Potential auch realisieren, desto mehr also wird das Internet zu einem interaktiven und personalisierten Massenmedium werden: P2P-Netze zeigen das genauso wie Weblogs und andere moderne Nutzungsformen.

Diese Entwicklung zeigt deutlich, daß das Internet nicht nur die Art, wie wir miteinander kommunizieren, sondern unsere ganze Art zu leben und zu arbeiten, zu lernen und zu denken fundamental verändert. Allein die Werbung scheint davon wenig betroffen: sie orientiert sich an Vorbildern aus der Welt der Print-Anzeigen und der TV-Spots.

Dabei ist auch jede Form "kommerzieller Kommunikation", also der Austausch zwischen Unternehmen, Kunden und Partnern, von dieser Veränderung betroffen. Im Internet geht es nicht mehr um "Zielgruppen" und "Marktsegmente" sowie deren "kleinsten gemeinsamen Nenner", sondern um Wünsche und Bedürfnisse jedes einzelnen Nutzers und damit potentiellen Kunden. Nicholas Negroponte, der Gründer des Media Lab am MIT, hat darauf schon vor Jahren visionär hingewiesen:

“Instead of advertisers soliciting response, they’ll have to respond to the solicitations of potential customers.“

Nicht mehr Werbung und Marketing formulieren also "Messages" im Internet. Im Gegenteil: sie müssen auf Bedürfnisse und Interessen jedes einzelnen Kommunikationspartners adäquat und möglichst exakt reagieren – denn die Alternative, sprich der Wettbewerb ist nur den viel zitierten „Mausklick“ entfernt. Und das gilt im Übrigen nicht nur für Marketing und Werbung im eigentlichen Sinn, sondern für jedes Kommunikationsangebot im Internet.

Werbeformen im Internet

Doch bleiben wir für den Moment bei der Werbung selbst. Denn die alles entscheidende Frage lautet doch: Werden die heute im Internet zur Verwendung kommenden Werbeformen dem von Negroponte formulierten Anspruch und vor allem dem ihm zu Grunde liegenden, neuen Kommunikationsparadigma des Internet gerecht?

Kaum, soviel lässt sich bereits an dieser Stelle vorwegnehmen. Und wenn, dann nur in Einzelfällen, mit großen Mühen oder noch mehr Glück. Doch sehen wir uns das Desaster genauer an.


Banner
Die älteste, am weitesten verbreitete und dabei nachgewiesener Maßen erfolgloseste Form der Werbung im Web ist sicher das "Banner". Kleine, anfangs statische, später häufig auch animiert blinkende, wenn auch nicht animierend wirkende Bildchen, die den User anzuschreien scheinen: "Klick mich!" Kein Wunder, dass die den Klick genervt verweigern (sog. "Ad-Click-Raten" zwischen 0,1% und 0,3% sind heute die Regel, und treiben den TKP in schwindelerregende Höhen), zumal sie die Ladezeit, zumindest wenn sie keine „Flatrate“ haben ja auch noch bezahlen müssen. Man stelle sich vor, jeder Fernsehzuschauer müsste pro Werbespot einen Pfennig entrichten – die Tage des kommerziellen Fernsehens wären gezählt. Und eben dieses Schicksal scheint auch dem Banner – aktuell das mit Abstand am weitesten verbreitete Werbemittel - beschieden, es sei denn Charakter und Funktion der kleinen Nervensägen erfahren einen radikalen Wandel.

Banner-Formate gibt es inzwischen wie Sand am Meer: sie unterscheiden sich nicht wesentlich, sondern nur in Größe (an den Pixeln gemessen), Positionierung auf der Seite bzw. Techniken zur Darstellung („Floating“), sowie den eingesetzten Medientypen (von statischen Bild-Text-Kombis über Animationen, „Animated GIFs“ und „Flash-Bannern“ bis hin zu Video-Streams...). Einen guten und brauchbaren Überblick finden Sie bei Adpepper.com (URL auf der Folie)

Und das wird auch so weitergehen. Doch das Problem bleibt allemal das Gleiche: sie unterstützen den Nutzer nicht bei der Verfolgung seines aktuellen Interesses, sondern versuchen ihn davon abzulenken, sie widersprechen also dem von Negroponte definierten Paradigma, statt es zu nutzen.

"Micro Sites"
Seit einiger Zeit kommen immer häufiger sog. „Micro-Sites“, eine Weiterentwicklung der animierten Banner: statt einer mehr oder weniger gelungenen Animation steckt hier eine ganze Miniatur-Website hinter der bunten Schaltfläche. Diese Sites, meist in einem Pop-Up-Window über der eigentlich angesurften Site dargestellt, beinhalten normalerweise Produktangebote sowie die entsprechenden Bestell- oder Kontaktmöglichkeiten.

Sicher ein Fortschritt gegenüber dem klassischen Banner, aber auch Sie reagieren nicht auf den Wunsch des Users, sondern konfrontieren ihn ungefragt mit einem allgemeinen, nicht personalisierten Angebot. Auch wenn Banner und Micro-Sites heute schon oft dynamisch, also auch kontextabhängig in Webseiten eingebunden werden, heisst das noch lange nicht, dass jemand, der sich für Zierfische interessiert und entsprechende Informationen aufsucht, in jedem Fall auch Fischfutter kaufen will. Die Trefferquote ist höher, Streuverluste also geringer, doch das schale Gefühl des Users, Opfer eines abgekarteten Spiels zu sein, bleibt bestehen.

"Interstitials"
Insofern dürfte auch nur eine Minderheit empfänglich für eine Werbeform sein, die sich ganz ans Vorbild der TV-Werbeblöcke anlehnt: die so genannten "Interstitials". Hier werden nach dem Aufruf einer Website zunächst Werbeseiten in den Browser (Opera!) geladen, die die Wartezeit auf die gewünschte Information nicht verkürzen, sondern de facto verlängern. Diese Werbeform nimmt nicht nur das Geschäftsmodell des "Free TV" – Content gegen Aufmerksamkeit für die Werbung – sondern auch das Menschenbild dieses alten Massenmediums auf. Doch was schon Fernsehzuschauer verärgert und zur stummen Verweigerung durch Zapping bewegt, das empfindet der emanzipierte Internet-Nutzer schlicht als Unverschämtheit. Und die erhoffte Werbewirkung verkehrt sich in ihr Gegenteil.

All diesen webbasierten Werbeformen ist ein Kardinalfehler gemein: sie nehmen den Internet-Nutzer, seine Persönlichkeit und seine Motive, nicht ernst. Sie bieten nicht den Dialog unter Gleichen an, sondern verkünden vom Sockel herab ihre allgemeine, und deshalb notwendig banale Botschaft.

Suchmaschinen
Während klassische Banner, trotz aller multimedialen und multiformalen Entwicklungen der Internet-Werbung in den letzten Jahren nur wenig bis gar keine Impulse zu geben vermochte, sorgte eine andere Werbeform zunehmend für Furore: das sog. Suchmaschinen-Marketing. Formal und optisch durchaus „Retro“, sorgen die „Ad-Links“ für ca. 95% des Umsatzes von $ 1.26 Milliarden im ersten Quartal 05.

Das Geheimnis des Erfolgs für diese am schnellsten wachsende Werbeform im Internet? Die sog. „Ad-Words“ reagieren auf die vom Nutzer eingegebenen Suchbegriffe, d. h. den Ergebnissen werden mehr oder weniger passende kommerzielle Angebote zugeordnet und präsentiert.

Besonders oft genutzte Begriffe werden an die Interessenten versteigert – „MP3“ und „Sex“ ist also teurer als „Paradigmenwechsel“. Inhaltlich nicht zu dem Suchbegriff passende Angebote werden ausgeschlossen, so dass der Nutzer wenigstens auf den ersten Blick passende Angebote zu sehen bekommt, was den Erfolg dieser Werbeform noch einmal steigert – weil sie zumindest ansatzweise dem Nutzer-Interesse entsprechen.

„Virales Marketing“
Diese Wirkungsweise, nämlich einen Bezug zwischen dem Interesse des Nutzers und dem Kontext seiner Nutzung einerseits und der Werbe-Botschaft andererseits herzustellen, nutzt auch das sog. „Virale Marketing“ auf Weblogs und in Peer-To-Peer-Netzen. . So wie dem Tipp eines Freundes ein ungleich höherer Wert bei einer anstehenden Kaufentscheidung zukommt, als etwa einem zufällig auftauchenden Werbeplakat, so funktioniert auch dieses "Virale Marketing":

Jemand, dessen Informationen und Meinungen ich kenne und schätze, gibt mir einen Hinweis in einem Kontext, den ich selbst gewählt habe, der mich also interessiert. Sollte ich, angeregt durch den Hinweis, selbst positive Erfahrungen mit einem Produkt oder einem Service gemacht haben, könnte ich unter Umständen sogar bereit sein, den Tipp ebenfalls weiterzugeben: ob als Kommentar oder auf meinem eigenen Weblog. Durch diesen „Netzwerk-Effekt“ könnte die Botschaft sich im Netz mit der gleichen Geschwindigkeit verbreiten wie ein Virus – so jedenfalls die Theorie. Vieles spricht dafür, dass sie auch in der Praxis funktioniert.

Ob bzw. wie stark dieser Effekt eintritt, hängt allerdings neben der Qualität des Tipps, sowie der Qualität des dadurch vermittelten Produktes oder Services, wesentlich davon ab, wie intensiv ich mit anderen, am gleichen Thema interessierten vernetzt bin. Im Fall der allein im letzten Jahr auf ca. 30 Millionen verdoppelten Anzahl der Weblogs ist diese Vernetzung so intensiv, dass Beobachter inzwischen von eine „Blogosphere“ sprechen. Dass auch die Werbungtreibenden beginnen, solche Zusammenhänge zu verstehen, belegen Websites wie blogad.com, die Werbung und Blogger zusammenführen.

Email und Newsletter
Eine weitere funktionierende Form des Marketings im Internet stellt das in letzter Zeit – im Zeichen von „Spam“ - viel diskutierte "E-Mail-Marketing" dar. Was einmal Schwarz auf Grau mit kleinen, eingeschobenen Textmeldungen zwischen den Beiträgen zu Mailing-Listen begann, unterscheidet sich heute, in Zeiten von HTML-Mail, optisch kaum noch von den Bannern auf kommerziellen Websites. Allerdings akzeptieren die Bezieher von E-Mail-Newslettern, wie auch die Weblog-Nutzer eher, dass die mitgelieferten Werbebotschaften, den von ihnen gewünschten, besonderen Informations-Service erst finanziell ermöglichen. Zu dem ist das Verhältnis zwischen dem Absender und dem Empfänger von Newsletter-Services ein anderes, als das zwischen dem mehr oder weniger zufälligen Besucher einer Website und deren Betreiber. Ein E-Mail-Dialog setzt immer das Einverständnis der beteiligten Kommunikationspartner voraus.

Alles andere wäre "Spam": eine unverschämte Belästigung, die in letzter Zeit dramatisch zunimmt, mit den bekannten negativen Folgen für den Absender: das LG Hamburg drohte einem Spammer kürzlich mit einem Bussgeld von € 250.000,-. Ein gesetzliches Spam-Verbot ist in der Mache, die Effizienz einer solchen Regelung darf allerdings bezweifelt werden.

So gehen Experten davon aus, dass inzwischen rund 50% des weltweiten E-Mail-Aufkommens als „Spam“ zu qualifizieren ist. Und der Kampf dagegen gleicht einem Katz’ und Maus Spiel: auf immer komplexere Filter-Tools reagieren die Spammer mit immer neuen Schreibweisen und Absender-Adressen. Auf neue Gesetze in den USA oder der EU reagieren die Spammer mit Abwanderung in „sichere“ Drittländer. Die wachsende Verärgerung der Nutzer kann nur durch sog. Opt-In-Verfahren,, sowie eine damit verbundene „White-List“ der Versender von Massen-Mails gelöst werden. (Erklärung!)

Doch zurück zur E-Mail, und dazu zählt als Sonderfall auch jeder Newsletter, die einen kommunikativen Dialog zwischen den Beteiligten etabliert. Die Kommunikationspartner haben sich im Austausch von Informationen und Meinungen kennengelernt, sie haben eine gemeinsame Geschichte, eine digitale Biografie entwickelt. Sie schätzen den Beitrag des jeweils anderen Partners, sonst wäre der Dialog wahrscheinlich bereits beendet. Je mehr Interesse ich am Inhalt des Dialogs und an seiner Fortsetzung habe, desto mehr bin ich gewillt, seine Rahmenbedingungen, zu denen durchaus auch Werbebotschaften zählen können, zu akzeptieren. Wenn diese Botschaften auch noch einen kontextuellen Bezug zu den eigentlichen Inhalten des Dialogs haben, kann ihnen sogar der Wert eines Beitrags zum Kommunikationsprozess zukommen.

Eigentlich wollte ich an dieser Stelle bereits einen ersten Einblick in die Möglichkeiten kommerzieller Kommunikation in den „neuen“, internetbasierten Medien, insbesondere Mobile und digitales IP-TV geben. Doch dazu ist es noch zu früh. Im ersten Fall ist die Technologie zwar am Markt, die Verbreitung aber läuft ebenso schleppend wie die Entwicklung tragfähiger Anwendungen und Geschäftsmodelle. Und im zweiten dürften wir erst in der zweiten Jahreshälfte erste kommerzielle Angebote sehen. Sender und Telcos ringen noch um Konzepte und Geschäftsmodelle. In beiden Bereichen, soviel kann man heute schon sagen, spielt Werbung noch eine untergeordnete Rolle bei der Finanzierung attraktiver Angebote.

Bestandsaufnahme

Bis auf die letzten beiden, interaktiven Formen kommerzieller Kommunikation, wozu mit Einschränkungen auch noch das Suchmaschinen-Marketing zu zählen wäre, sind alle vorher genannten mehr den Wirkungsweisen und Kommunikationsformen traditioneller, linearer Massenmedien verhaftet. Sie alle operieren mit "Reichweiten" und "Zielgruppen" statt mit den "One-To-One"-Techniken des Internet. Sie beruhen auf rein quantitativen Größen und Erwägungen, statt die Qualität des Kontaktes in den Mittelpunkt der Kommunikationsstrategie zu stellen.

Das ist in der Geschichte technischer Entwicklungen zwar nichts außergewöhnliches – auch die ersten Autos sahen aus wie Kutschen ohne Pferde – markiert aber immer eine Sackgasse der Entwicklung. Solche Formen haben keine zukunftsweisende Perspektive. Im Gegenteil, sie wirken heute schon altmodisch, der Vergangenheit zugehörig, weil sie weder dem Kommunikations-Paradigma des Internet, noch den Erfahrungen und Erwartungen seiner Nutzer entsprechen.

Da diese Nutzer aber nicht mehr einsehen werden, warum sie auf die neuen Kommunikationsmöglichkeiten, die das Internet bietet, ausgerechnet im Fall der kommerziellen Kommunikation verzichten sollen, tritt im Internet die Kontakt-Qualität an die Stelle der Kontakt-Quantität als Gradmesser für den Erfolg jeder Kommunikationsstrategie.

Unternehmen im Internet

Doch darüber hinaus definiert das Internet auch all das, was wir unter einem Unternehmen verstehen, seine Kultur und seine Strukturen, seine Strategien und Arbeitsabläufe, auf eine ganz neue Weise.

Allerdings wird es damit für die allseitig vernetzten Unternehmen auch zu mehr als nur zu einem neuen Vertriebskanal: es wird zur Plattform interner wie externer Unternehmensprozesse, zum mobilen Dienstleistungsinstrument für alle Lebensbereiche und schließlich zum Forum individueller Bildungs- und Unterhaltungsangebote.

Mit dieser Entwicklung wird das Internet schließlich zum neuen Universalmedium für alle Kommunikationsanforderungen der Informationsgesellschaft – denken Sie etwas an den neuen Mobilfunk-Standard UMTS. Im Umkehrschluss bedeutet das: Was es im Internet nicht gibt, scheint unerreichbar, nicht (mehr) existent. Voraussetzung dafür ist allerdings, daß das Internet seine heute noch bestehenden Grenzen überwindet, indem es

- ubiquitär verfügbar,
- jederzeit skalierbar,
- einfach zu nutzen sein wird.

Wenn das Internet also wirklich zum "Universalmedium" des Informationszeitalters werden soll, muß es in jedem Fall "ubiquitär", also überall verfügbar und entsprechend der jeweilig spezifischen Aufgabenstellung nutzbar sein. Davon sind wir heute noch ein gutes Stück entfernt, zugegeben.

Grundsätzlich aber gilt heute bereits: Indem das Internet an unterschiedlichen Geräten, in ebenso unterschiedlichen Zusammenhängen genutzt werden kann, ergibt sich auch die Möglichkeit zu neuen Nutzungsarten: nicht mehr allein für berufliche, sondern auch für private Interessen steht das Internet zur Verfügung. Ob es um Unterhaltung und Kommunikation oder um Einkäufe und Spiele geht. Wir beobachten also eine Ausdifferenzierung der Internet-Nutzung, eine nie geahnte Vielfalt von Geräten, Angeboten und Diensten auf der Grundlage von Internet-Technologien. Es geht also um „technische Konvergenz“ bei inhaltlicher Differenzierung!

Warum aber wird ausgerechnet das Internet Protokoll IP zur Universalsprache aller Kommunikationsprozesse und aller interaktiven Dienstleistungen, das Internet somit zum Universalmedium der Informationsgesellschaft?

Das ganze Geheimnis dieser einmalige Erfolgsstory ist eine ebenso einfache wie geniale Idee. Statt wie alle anderen Telekommunikations-Systeme die Endgeräte der jeweiligen Teilnehmer zu verbinden, also zu einem temporären Netz zusammenzuschalten, werden in einem IP-Netzwerk nur die eigentlichen Kommunikationsinhalte in Daten-"Paketen" geroutet, also zu einem anderen Endgerät geleitet. Das schont nicht nur Netzwerk-Resourcen, und macht die Kommunikation hocheffizient, es ermöglicht auch ganz unterschiedliche Daten über die gleichen Netze zu vermitteln. So können IP-Pakete alles mögliche enthalten: eine Mail oder ein Video, ein Musikstück oder ein Spiel, kurz: alles, was sich digital darstellen lässt.

Grundlage und Voraussetzung um die sich damit bietenden Geschäftsmöglichkeiten auch erfolgreich nutzen zu können, ist die Offenheit des gesamten Systems “Internet”. Jeder kann auf der Basis verbindlich definierter und frei zugänglicher Regeln, der Internet-Protokolle, eigene Anwendungen und Angebote entwickeln. Deswegen wachsen heute alle, früher einmal säuberlich getrennten Netze, vom Telefon- bis zum TV-Kabel-Netz auf der Basis der Internet-Architektur zusammen. Und auch die Mobilfunk-Netze bleiben davon nicht unberührt. Mit neuen Beschreibungssprachen wie der Wireless Markup Language (WML) und neuen Technologien wie dem "Universal Mobile Telephony System" (UMTS) und dem „W-LAN“, die die Grenzen der Darstellung und der Übermittlung großer Datenmengen überwinden, wird das Internet mobil und gleichzeitig einfacher zu nutzen.

Das Internet wird in Zukunft also mit all seinen Nutzungsmöglichkeiten und Applikationen zu jeder Zeit und an jedem Ort zur Verfügung stehen. Und damit werden sich nicht nur die unterschiedlichen Nutzungsarten, sondern auch die zur Nutzung eingesetzten Endgeräte noch weiter voneinander entfernen: je genauer ein Gerät einen ganz bestimmten Zweck erfüllt, desto weniger muß beim Umgang mit diesem Gerät erlernt werden. Warum soll ich den Umgang mit all den Features eines Universalgerätes erlernen, die ich niemals brauche, während mir unterschiedliche Geräte, vom Handy bis zum Organizer, vom MP3-Player bis zur Digital-TV-Box, genau jene Funktionen bieten, die ich erwarte.

Für die Online-Werbung heißt das allerdings: Good Bye Standards (in der Ausgabe-Größe) Hello „Anpassung“: auch identische Inhalte müssen an die Formate der ganz und gar unterschiedlichen Plattformen und Endgeräte angepasst werden, was sich durch den intelligenten Einsatz von Abfrage- und entsprechenden Ausgabe-Skripten aber automatisiert erledigen lässt.

Je mehr das Internet mit dieser Entwicklung wirklich zu einem Universalmedium und zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor der Informationsgesellschaft wird, desto mehr wird es selbst hinter den über die IP-Netze vermittelten Anwendungen und Inhalten "verschwinden": Das Internet wird zur Selbstverständlichkeit. So wie heute das Stromnetz: jeder nutzt es, ohne sich Gedanken darüber zu machen.

Je mehr IP, früher ein besonderer Service ganz besonderer ISPs mit ebenso besonderen Preisen, zur Universalsprache aller Telekommunikations-Netze wird, desto mehr wird der IP-Service selbst zur "Commodity", zur selbstverständlichen Dreingabe jedes Carriers. Umsätze werden zukünftig auf diesem Gebiet nur noch durch besondere Service- und Qualitätsmerkmale, sowie durch besondere Inhalte und Anwendungen zu erzielen sein. Und dieser Trend – Service als USP – wird schon bald nicht nur für ISPs, sondern für jedes im Internet handelnde Unternehmen Gültigkeit haben.

Das ist die Herausforderung. Und die ist nicht gerade klein. Ihr gegenüber steht allerdings eine ebenso große Chance, nämlich das Internet selbst. Kein anderes Medium bietet bessere Möglichkeiten einen optimalen, ganz auf den einzelnen Kunden abgestimmte Service zu bieten als dieses interaktive und personalisierte Massenmedium neuen Typs.

Das Schlüsselwort für alle Formen kommerzieller Kommunikation in diesem Medium heisst: One To One Marketing. Wenn es auf Grund des geltenden Kommunikationsparadigmas keinen Sinn macht, allgemeine Werbebotschaften auszusenden, dann kann ich meinen Kommunikationspartner auch direkt fragen, welche Interessen, Bedürfnisse und Neigungen ihn bewegen und genau feststellen, welche passenden Angebote ich in diesem Zusammenhang formulieren kann. Wenn wir uns so – wie im richtigen Leben – immer besser kennenlernen, werden wir Gemeinsamkeiten entdecken, über die wir uns im Laufe der Zeit immer intensiver und ausführlicher verständigen können. Und damit haben wir en passant den Grundstein zu einer Gemeinschaft gelegt: zu einer virtuellen Interessengemeinschaft, oder Community Of Interest – wie sie heute etwa um zahlreiche Weblogs herum entstehen.

Und nirgendwo gibt es mehr solcher Gemeinschaften als im Internet, wo ihre Entstehung weder durch zeitliche noch geographische Grenzen behindert wird. Kaum ein Thema bleibt unbehandelt, kaum ein Interessensgebiet, um das sich noch keine Gemeinschaft versammelt hätte: Ob es um Essen oder Spiele geht, um Musik oder digitale Kunst. In jedem Fall geht es um die Realisierung kommunikativer Zusammenhänge, in deren Mittelpunkt immer der einzelne, individuelle Kommunikationspartner mit seinen persönlichen Interessen steht.

Wer diesen Interessen eine Plattform bietet, wer sie mit eigenen Informationen und Meinungen ebenso bereichert wie mit neuen Sichtweisen und Kommunikationspartnern, dem ist kommunikativer und kommerzieller Erfolg so gut wie sicher. Nichts anderes besagt die Regel der "3 großen C" der Internet-Kommunikation:

- Content
– Credibility
– Community

– deren Ergebnis durchaus das 4. C sein kann: Commerce. Zunächst geht es also um ein Thema. Desto qualifizierteren oder unterhaltenderen, in jedem Fall besseren Input, in Form von Informationen und Meinungen ich dazu liefere, desto glaubwürdiger werde ich als Kommunikationspartner, also als Teil der Gemeinschaft. Und je glaubwürdiger ich werde, desto mehr Gewicht erhalten meine Argumente und Informationen – auch wenn ich sie vor einem professionellen oder kommerziellen Hintergrund formuliere. Bei einem der Gemeinschaft bekannten Kommunikationspartner wirkt dieser Hintergrund nicht störend, er verleiht dem Argument nur noch mehr Gewicht.

Auch das ist nicht anders als im richtigen Leben: Das Wort eines bewährten Geschäftspartners hat allemal mehr Gewicht, als das eines Staubsaugervertreters an der Haustür oder die Botschaft eines Werbespots im Fernsehen. Zumal im ersten Fall auch der Kontext, die kommunikative Atmosphäre stimmt: ich werde nicht aus anderen Zusammenhängen herausgerissen, sondern ich suche das Gespräch, weil Ort und Zeit passend und stimmig erscheinen. Und weil unser gemeinsames Interesse das Thema bestimmt. Und diese Übereinstimmung des Kommunikationsangebots mit dem Interesse jedes Kommunikationsteilnehmers ist der wesentliche Erfolgsfaktor des Community-Marketings im Internet (Beispiel: eBay!).

Je genauer beide Elemente übereinstimmen, desto ergiebiger wird der Kommunikationsprozeß sich für die Teilnehmer darstellen. Je genauer ich also mein Gegenüber kenne, desto besser kann ich das gewährleisten. Das heisst nun nicht, daß ich mein Gegenüber mit vollem Namen, Adresse und Bankverbindung kennen muss – wogegen viele Internet-Nutzer mit gutem Grund etwas haben. All das brauche ich – zumindest im Internet – überhaupt nicht. Ein möglichst genaues Bild seiner Interessen, Aktivitäten und Möglichkeiten ist völlig ausreichend, um entsprechende Angebote – durchaus auch kommerzieller Art – machen zu können.

Wie das funktioniert, zeigt das Beispiel der inzwischen schon historischen "Cycosmos"-Community". Unter einem frei wählbaren Nutzernamen und der entsprechenden Email-Adresse kann ich ein ebenso umfassendes wie detailliertes Profil eingeben. Wie umfassend und detailliert, bestimme ich selbst. Diese Daten können nun mit denen anderer Nutzer, auch kommerzieller Anbieter, verglichen und auf Übereinstimmungen untersucht werden. Damit kann ich entweder aktiv auf andere zugehen, deren Profil mich interessiert, oder einfach abwarten, welche Angebote bei mir ankommen. Es gibt schlechterdings keine Methode, die die Entwicklung passgenauerer Marketinginititativen erlauben würde.

Dass dies alles andere als anekdotische Geschichte oder bloße Theorie ist, beweist der Erfolg solch kommerzieller Communities, bzw. „Social Networks“, wie man sie heute gerne nennt, ob im Business- oder im privaten Bereich. Und diese Communities sind dann auch nicht mehr auf ein werbefinanziertes Geschäftsmodell allein angewiesen, sie finanzieren sich heute schon hauptsächlich durch die Gebühren der zahlenden Nutzer. Wer einen spürbaren Mehrwert zu bieten hat, wer seine Nutzer gut genug kennt, kann für seine Dienste auch einen angemessenen Preis verlangen. Das zeigen die entsprechenden Beispiele von Flirt-Communities bis zu Apples iTunes-Music-Store. Ist die Werbung im Internet damit also endgültig am „Ende der Fahnenstange“ angekommen, oder gibt es trotz allem noch Perspektiven.

Perspektiven der kommerziellen Kommunikation im Internet

Die genau durchdachte und professionell entwickelte Kommunikationsstrategie im Internet wird also buchstäblich überlebenswichtig für jedes Unternehmen, in jeder Branche. Das ist ein sich selbst verstärkender Prozeß – ein "Feed-Back-Loop", wie die Kybernetiker sagen würden.

Nur wer diesem Prozess und seiner gewaltigen Dynamik entsprechende Angebote – ob zur Kommunikation oder zur Transaktion – aufsetzen kann, wird in der Lage sein, sich mit ihm weiter zu entwickeln. Wer versucht, sich dieser Dynamik zu widersetzen oder sie zu kanalisieren, wird von ihr fort gespült, wie ein Stück Treibholz.

Communication on Demand
Veraltete Kommunikationstechniken aus alten Massenmedien, nur oberflächlich gewandelt durch ein neues "Look & Feel", das Internetkompetenz nur vorspiegelt statt sie zu belegen, und dazu zählen neben Bannern und Interstitials alle unverlangt gesendeten Werbebotschaften, haben in diesem Prozess prinzipiell keine Chance. Sie sind unterlegen, weil sie nicht auf der im Internet für jedes Kommunikationsangebot notwendigen Erlaubnis des Empfängers beruhen. Im Internet gilt nach wie vor die Regel: Ohne "Permission" kein Marketing. Wer diesen Respekt vor den Nutzern vermissen lässt, wird im besten Fall von ihnen zurecht gewiesen, im schlimmsten einfach ignoriert.

Community Sponsoring
Neue Formen der Werbung und der Kommunikation sind also gefragt. Formen etwa, die der Community-Struktur der Internet-Kommunikation entsprechen. Deren einfachste Form ist das Community-Sponsoring, wie es von zahlreichen Unternehmen betrieben wird. In diesem Zusammenhang könnte übrigens sogar das Banner seinen Platz im Internet finden: als Absenderkennung des Sponsors, nicht als irgendein Werbeformat.

Content Sponsoring

Eine weitere, schon deutlich komplexere, aber auch differenziertere Form kommerzieller Kommunikation wird im "Sponsored Content" erkennbar: hier geht es allerdings nicht, wie man vermuten könnte, um Marken-Contents, sondern um die Finanzierung und Vermittlung ganz allgemeiner Contents, die für den User von Interesse sind. Durch die offenbar ebenso notwendige wie aufwendige Vermittlungsleistung erhöht sich auch die Wertigkeit des Contents. Und diese Wertigkeit wird im Idealfall vom User dann auf die für diese Leistung verantwortliche Marke oder den Service, also letztlich auf den Werbungtreibenden übertragen. Ein Image-Transfer, den sich z. B. die Werbung im Formel-Eins-Umfeld zu Nutze macht.

"Transactive Content"
Noch weiter in diese Richtung geht das Konzept des "Transactive Content": Hier geht es um keine abstrakte, lediglich vermutete Wertigkeit, sondern um einen messbaren, weil vom Nutzer zu bezahlenden Wert: Indem ein Werbungtreibender die für eine Kaufentscheidung verantwortliche, wesentliche Information beibringt (und dafür vom Verkäufer provisioniert wird!), wird der Erfolg der Transaktion auf den Wert der Information, und damit auf den Wert des damit Werbenden transferiert. Ein einfaches Beispiel für diesen komplexen Zusammenhang: Die Echtzeit-Kursinformation, die Online-Broker ihren registrierten Nutzern zur Verfügung stellen. Ein Verfahren, das deutliche Risiken mit sich bringt, die dem Nutzer allerdings durchaus bewusst sein dürften, und es deshalb umso lohnender erscheinen lassen: "Wer das auf sich nimmt, um mir zu helfen, muss ein Guter sein!"

Solche Werbeformen entsprechen nicht nur der Funktionsweise und dem Kommunikationsparadigma des Internet, sondern auch dem Erscheinungsbild der Marke im Internet, das nicht mehr durch das Produkt, sondern durch ihr „Beziehungsmuster“ geprägt wird, worauf Heribert Meffert (in der Wirtschaftswoche Nr. 34/17. 8. 2000, p. 128) schon vor 5 Jahren richtig hingewiesen hat: Marken "stehen für Interaktion" – und entsprechen damit schließlich auch der kommunalen Struktur der Internet-Nutzung.

Richtung und Perspektiven der Entwicklung kommerzieller Kommunikation im Internet sind also heute schon durchaus erkennbar. Sie wird eine Formensprache hervorbringen, die dem Medium angemessen ist, und sich allein deswegen radikal von den Werbeformen, der "alten" Medien unterscheiden wird.

Alle neuen, dem Internet entsprechenden Formen der kommerziellen Kommunikation dürfen nicht einfach für eine Marke oder eine Dienstleistung werben, also ungefragt Botschaften verbreiten. Wenn die Marke selbst durch ihre Beziehungsmuster definiert ist, dann muss sie auch zum Gegenstand der globalen Konversation namens Internet werden. D. h. sie muss lernen, den „Sockel der Werbung“ zu verlassen, um endlich mit menschlicher Stimme zu sprechen. Lesen Sie das „Cluetrain Manifesto“, dem wir diese Erkenntnis verdanken online oder als Buch.

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Kommentare …

Sehr guter Beitrag!

23.10.06 12:02   von Vincent Coccotti