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Von ossiu am 19.12.04

Die Zukunft der Arbeit in der vernetzten Gesellschaft

Vortrag bei einer Veranstaltung der hessischen Landesregierung in Wiesbaden, im Februar 1999

Die Zukunft – das war traditionell immer etwas, das jenseits unseres aktuellen Bewußtseins-Horizontes lag. Etwas, wovon wir eine Ahnung, evtl. eine Vorstellung, aber eben kein wie auch immer begründetes Wissen haben. Die Zukunft war und blieb – von der Gegenwart aus betrachtet - immer ein Geheimnis.

Wie so vieles hat sich auch das mit dem anbrechenden Informationszeitalter geändert: Die Zukunft ist nichts diskretes, unserem aktuellen Wissen unerreichbares mehr, sondern sie dringt, zunächst beinah unbemerkt, langsam aber stetig und dann immer umfassender in unseren Alltag ein. Dadurch wird sie so selbstverständlich "gegenwärtig", daß wir sie nicht mehr als etwas Neues, das es zu entdecken gilt wahrnehmen, sondern als etwas ungewohntes und unverständliches, etwas fremdes, ja bedrohliches. Dieses Phänomen lässt sich in vielen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und technologischen Entwicklungen beobachten, aber nirgends wird es deutlicher als beim Internet und den damit einhergehenden Veränderungen in allen Lebensbereichen, insbesondere jedoch im Bereich der Arbeit. Doch bleiben wir noch einen Moment beim Internet selbst.

Sie alle kennen ja die exponentiellen Zuwachsraten, die dem Internet immer zugeordnet wurden. Auch wenn der Medien-Hype in der letzten Zeit einer etwas realistischeren Betrachtungsweise Platz gemacht hat, sind die neuesten Zahlen nach wie vor beeindruckend:

- Ca. 171 Millionen Internet-User gibt es derzeit weltweit. 40 Millionen sind es in Europa und 8.4 Millionen Menschen nutzen laut einer GfK-Erhebung in Deutschland das Internet beruflich oder privat.

- Die Zahl der DE-Domains, also der virtuellen “Gebäude” und Angebote im Netz hat sich im letzten Jahr auf ca. 500.000 verdoppelt.

- 43 Millionen Internet-Hosts und ca. 350 Millionen Web-Seiten (Zahlen, die sich immer noch in weniger als 10 Monaten verdoppeln)

überziehen unseren Planeten mit einem neuartigen virtuellen Netz, einer “Kommunikations-Sphäre”, die amerikanische Medienwissenschaftler bereits als “Electrosphere” bezeichnen, während Microsoft-Chef Bill Gates, nicht weniger berechtigt, von einem "Digitalen Nervensystem" spricht, das unseren Alltag, Arbeit wie Freizeit zunehmend bestimmt.

Ein weiterer Beleg für die ungebrochenen Dynamik der Internet-Entwicklung sind die Umsatzprognosen, die von verschiedenen Marktforschungsgruppen für den elektronischen Handel (“E-commerce”) im Internet abgegeben werden.

Sie belaufen sich $ 30 Milliarden (Forrester Research) und mehr, für das Jahr 2000, innerhalb der nächsten 12 Monate also. Die Brüsseler EU-Kommission ist noch weitaus optimistischer: Sie erwartet schon im Jahr 2000 Umsätze von € 200 Milliarden, die allein in Europa im Zusammenhang mit dem Internet erzielt werden sollen. Mehr als $1.000 Milliarden erwarten die amerikanischen Marktforscher von Active-Media (vgl. Grafik). Eine ganz aktuelle Zahl unterstreicht den Trend: im letzten Jahr wurden laut einer Studie der University of Texas weltweit ca. $ 300 Milliarden im Zusammenhang mit dem Internet – also online wie offline - umgesetzt
Diesen allgemeinen Optimismus teilt auch eine vom "US Department Of Commerce" vorgelegte Studie zur sich "Entwickelnden Digitalen Ökonomie".

Sie benennt die Vorteile, die der Einsatz des Internet im allgemeinen und von "E-Commerce"-Instrumenten im besonderen den Unternehmen bringt:

- Kürzere Produkt-Entwicklungszeiten
- Bessere und preiswertere Serviceleistungen
- Geringere Vertriebs- und Marketingkosten
- Erschließung neuer Märkte.

Grundlage und Voraussetzung dieser hoch dynamischen Entwicklung ist m. E. die, die Anpassung der Geschäftsabläufe und Organisationsstrukturen in den Unternehmen an die Struktur des Internets – Stichwort "Vernetzung statt Hierarchien" einerseits, und da ist gerade in Deutschland noch viel zu tun, und andererseits die ja bereits vorhandene Offenheit des gesamten Systems “Internet”, die zu bereits einer Beschleunigung der technischen Entwicklungszyklen geführt hat, die in den USA mit der Gleichung

1 Menschenjahr = 7 Internetjahre

charakterisiert wird. Das alles, die technische Entwicklung wie wirtschaftlichen Möglichkeiten machen das Internet zu dem am schnellsten wachsenden Medium in der Geschichte menschlicher Kommunikation.

Die entscheidenden Faktoren für diesen Erfolg sind schnell benannt, wenn auch bisher erst in unterschiedlichem Maße realisiert. Internet-Kommunikation ist
- relativ schnell,
- absolut preiswert,
- einfach zu erlernen,
- (so gut wie) überall möglich.


Trotzdem ist das Internet kein Massen-Medium wie wir es kennen. Es ist etwas viel Besseres, weil weiter Entwickeltes: ein inzwischen massenhaft verbreitetes, persönliches und interaktives Medium. Von allen bekannten, linearen Massenmedien unterscheidet es sich durch seine Kommunikations-Struktur:

In allen bisherigen Massenmedien (von Print bis TV) galt:
1 Sender -> ∞ Empfänger.

Im Internet gilt: ∞ User <-> ∞ User.

Das Internet strukturiert sich also nicht mehr über die Funktionalität, bzw. das technische Potential, entweder Sender oder Empfänger zu sein, sondern allein über den Informationsgehalt, den Unterhaltungs- und Nutzwert einer Site, bzw. über die Kommunikations-Kompetenz der User. Und das gilt für eine große Corporate-Website genauso wie für den einzelnen Privat-User. Für beide heißt die Aufgabe: Informationen optimal zu verarbeiten und neu strukturiert wieder weiter zu vermitteln. Genau diese Tätigkeit hat in den USA schon zu einem neuen und extrem nachgefragten Beruf geführt, dem des "Information Broker" oder auch "Knowledge Worker" – ich werde noch darauf zurückkommen. Die unabdingbare Voraussetzung dafür besteht in der Bereitschaft und der Fähigkeit ein Leben lang zu lernen, also Kommunikations-Kompetenz zu entwickeln, die den Anforderungen vernetzter Kommunikationsweisen optimal entspricht.

Dieses zuvor erwähnte, grundsätzlich andere und neue Kommunikations-Paradigma hat vielfältige Konsequenzen, nicht zuletzt auch für jede Form kommerzieller Kommunikation, also wie wir miteinander arbeiten und Geschäfte machen: Sie wird mehr und mehr medial vermittelt, und zwar über das Internet.

Das Internet verändert nicht nur die Art, wie wir miteinander kommunizieren, wie wir uns informieren und unterhalten. Das mit ihm entstehende, grundsätzlich neue Kommunikations-Paradigma verändert die ganze Art, wie wir arbeiten, lernen und denken, und schließlich: wie wir uns unterhalten und unsere Freizeit verbringen, also wie wir die Welt und uns selbst erleben; kurz: unseren Lifestyle.

Und dieser Lifestyle, schnell und informell, wird von hoher Dynamik und stetig wechselnden Perspektiven ebenso geprägt wie von besagter Bereitschaft, ein Leben lang zu lernen und durch ständig neue Wirklichkeiten zu browsen, sich selbst, seine Arbeit und die eigenen Beziehungen dauernd neu zu erfinden. Dieser Lifestyle lässt sich durch einen Begriff charakterisieren:
“Being Online”.

Being ON-LINE - “mit-einander vernetzt sein” entwickelt sich also nicht nur zur Schlüssel-Technologie und damit auch zur Schlüssel-Industrie des Informations-Zeitalters, wie der ehemalige Bertelsmann-Vorsitzende Mark Wössner schon vor Jahren richtig bemerkte. Being Online charakterisiert mit dem Lifestyle des Informationszeitalters, auch immer mehr damit einhergehende neue, weil vernetzte, Arbeits- und Produktionsweisen. Die Arbeit wird im Informationszeitalter immer mehr zur Informations-Verarbeitung. Information wird dabei nicht nur zur wertvollsten Ware auf einem weltweiten Markt, sie wird vor allem zum entscheidenden Produktivitäts-Faktor, zum Differenzierungsmerkmal im ebenso weltweiten Wettbewerb. John Chambers, der Vorstandsvorsitzende von Cisco, einem der weltweit führenden Netzwerk-Technologie-Unternehmen sagte dazu kürzlich:
"Nur Unternehmen, die das Internet als den entscheidenden Wettbewerbsvorteil erkannt haben und nutzen, werden diese Entwicklung überleben."

Die BMW-AG, deren Homepage Sie hier sehen, hat daraus bereits radikale Konsequenzen gezogen: Partner und Dienstleister des müssen nicht nur mit einer eigenen Homepage im Intranet des Unternehmens präsent sein, sie müssen auch in der Lage sein Bestellungen und Reklamationen oder andere Abläufe online zu erledigen. Wer dazu nicht in der Lage ist, kommt in der virtuellen Welt des Unternehmens schlicht nicht mehr vor, er ist einfach nicht mehr existent. Und das hat nicht nur in diesem konkreten Fall dramatische Konsequenzen:

Denn längst geht es bei der weltweiten Vernetzung nicht mehr allein um ausgesprochene Computer-Netze. Es geht vielmehr um das Zusammen-
wachsen von Telefon und Unterhaltungs-Elektronik, Datenaustausch und Fernsehen auf der Basis von Computer-Intelligenz! Um die Konvergenz zu einem HYPER-MEDIUM.

Zu einem Medium also, das alle Funktionen und Leistungsmerkmale der ursprünglich getrennten Ausgangsmedien umfaßt und in der Kombination sogar noch darüber hinausgeht. Dabei ist es keineswegs Ersatz, sondern wie immer Ergänzung der alten Massenmedien. Als solches ist das Internet mehr als nur ein neues Werkzeug: es ist auch das hippe Leit- und Lifestyle-Medium des Informationszeitalters. An ihm orientieren wir uns zunehmend. Hier werden Werte formuliert und Ziele gesetzt. Hier werden neue Stars geboren und alte entsorgt. Stars aus Fleisch und Blut werden durch solche aus Pixel und Bits ersetzt: Was ist Pamela Anderson schon gegen Lara Croft?

Wir sind also Zeugen einer medialen Revolution, wie sie die Welt seit Gutenbergs Erfindung der Buchdruck-Kunst nicht mehr erlebt hat. So wie Gutenbergs Erfindung das erstarrte Mittelalter in die dynamische Gesellschaft der Neuzeit katapultierte, so führt die interaktive Kommunikations-Technologie und die damit erstmals entstehende Möglichkeit, Informationen jederzeit global verfügbar und bearbeitbar zu machen, das Industrie- ins Informationszeitalter.

Und wie zu Beginn des Industriezeitalters sehen wir heute, zu Beginn des Informationszeitalters, die ersten Phänomene des Wandels schon als so dramatisch an, daß wir sie für den Endpunkt und nicht für den Anfang einer neuen Epoche halten. In der Tat fällt es schwer, sich vorzustellen, daß die Einführung des PC, wie wir ihn heute alle kennen und ganz selbstverständlich nutzen, erst 15 Jahre her ist, daß seit der Popularisierung des Internet mit dem World Wide Web gerade 5 Jahre vergangen sind. Und obwohl die Ausgaben für Informations-Technologie in den Unternehmen noch ständig wachsen, sind die Kosten, die für irgendeine Berechnung mittels Computer anfallen, in den letzten 20 Jahren um den Faktor 1 Million gefallen. Zum Vergleich: ein Auto, das damals DM 20.000 kostete, dürfte heute nur noch 2 Pfennig kosten!

Doch wie gesagt geht es bei der weltweiten Vernetzung nicht mehr allein um Computer-, bzw. Datennetze: es geht vielmehr um die Vernetzung "intelligenter Geräte", etwa stationärer und mobiler Telefone, digitaler Terminplaner, sog. PDAs und interaktiver TV-Decoder, sowie anderer sog. "Thin Clients", elektronischer Geräte, ob im Betrieb oder im Haushalt, die nur ganz bestimmte, genau umrissene Aufgaben erledigen. Dazu werden sie sich in heterogenen Breitband-Netzen verbinden, in denen sie sich weitgehend selbstständig anmelden und identifizieren um digitale Daten auszutauschen, also miteinander zu kommunizieren. Wie auf die Geräte, kommen damit auch auf die Menschen, die sich ihrer bedienen, ganz neue, immer komplexere Aufgaben zu.

Die wachsende Komplexität der Netze stellt nicht nur ganz neue Herausforderungen an das Netzwerk-Management in und zwischen den Unternehmen, das immer noch exponentiell wachsende Internet wird auch ganz neue Formen von Waren und Dienstleistungen hervorbringen.

Wurden Waren und Dienstleistungen im Industriezeitalter zur Anpassung an den Produktionsprozess weitgehend genormt, so werden sie im Zeichen der Vernetzung immer weiter personalisiert. Die Zeichen der Zeit verweisen nicht mehr auf eine vom Fließband definierte Produktionsweise, sondern auf eine, beinahe (kunst-)handwerklich definierte Arbeitsweise, nämlich auf eine möglichst optimale Anpassung der Waren und Dienstleistungen an die Erfordernisse und Ansprüche des einzelnen Kunden.

Andererseits stellt die mit dem Internet besonders sinnfällig werdende Globalisierung die Unternehmen vor die Herausforderung, über alle geographischen, und damit auch kulturellen und wirtschaftlichen Grenzen hinweg miteinander konkurrieren zu müssen. In den weltweiten Netzen geht es nicht mehr um Europa und Asien, um Nord- oder Südamerika. Arbeits- und Denkweisen unterscheiden sich in ihnen derart grundsätzlich von allem, was wir bisher kannten, daß der Chef des weltweit größten Chip-Herstellers INTEL, Craig Barett, vom Netz bereits als einem neuartigen "Siebten Kontinent" spricht.

All das hat natürlich weitreichende Konsequenzen für Design, Herstellung und Vertrieb von Waren und Dienstleistungen so gut wie aller Art. Schon heute haben "Just in time" Systeme, offene "Extranets" zwischen Herstellern und Lieferanten sowie computergesteuerte Logistik-Systeme einzelne Unternehmen produktiver und effektiver gemacht. In einer vollständig vernetzten Geschäftswelt werden diese Ansätze ganze Branchen erfassen und ganze Volkswirtschaften verändern: es wird kaum noch eine Rolle spielen, wo Menschen arbeiten, und für welches Unternehmen sie in einem bestimmten Moment gerade tätig sind, solange sie nur Zugang zu den dafür notwendigen Informationen, sprich: Netzwerken, insbesondere dem Internet haben.

Auch wann diese Menschen ihre Arbeit erledigen wird zunehmend unwichtig: Das Netz ist über alle Zeitzonen hinweg rund um die Uhr erreichbar, die Verbreitung einer Information nimmt nur Augenblicke in Anspruch, wann und wie man damit umgeht, ist allein von den eigenen Erfordernissen abhängig, nicht mehr von der Erreichbarkeit eines Partners oder Kunden: Die Kommunikation im Netz funktioniert wesentlich asynchron. Und damit werden nicht nur Produkte, sondern auch Arbeitsweisen von den Fesseln genormter, industrieller Produktion befreit. Neue, personalisierte Workflow-Modelle ersetzen veraltete, genormte Prozesse.

Dieser Trend wird nicht nur die Unternehmen "virtualisieren", er wird auch die Art und Weise, wie in ihnen gearbeitet wird, grundsätzlich neu definieren. Und er wird jeden Arbeitsbereich früher oder später erfassen und radikal verändern. Die Ansätze, die wir heute schon in der Entwicklung und der Administration sehen – Auslagerung und Dezentralisierung der Arbeit selbst, bei gleichzeitiger Vernetzung und Zentralisierung ihrer Ergebnisse - werden bald auch andere Unternehmensbereiche erfassen, etwa Produktion und Vertrieb.

Eine von IBM in Auftrag gegebene Studie ergab, daß 60% aller Arbeitsplätze beim Hardwarehersteller nicht an einen bestimmten Arbeitsort gebunden sind, d. h. potentielle Tele-Arbeitsplätze sind. Gerade für diese Arbeitsplätze wird das Internet nicht nur, wie für alle anderen auch, zunehmend zum Werkzeug der Arbeit, es wird auch zum wesentlichen Kommunikationsmittel. Nicht nur mit Kunden und Lieferanten, sondern auch mit den Kollegen im Unternehmen. Und das alles gilt es erst noch zu erlernen: Das Internet, das Leben im "Globalen Dorf", die Arbeit mit einem "Digitalen Nervensystem"

Das Internet wird damit also auch zum Objekt der Arbeit. Wir müssen lernen damit umzugehen, seine Möglichkeiten optimal zu nutzen, für uns selbst, wie für das Unternehmen. Wir müssen nicht nur lernen im Internet zu recherchieren, sondern auch Informationen effektiv auszutauschen, uns selbst zu vernetzen. Das Wissen darüber und die Fähigkeiten neue Möglichkeiten schnell zu erkennen und zu erlernen wird zur Grundlage und Voraussetzung beinahe jedes Jobs und vielleicht sogar – warum eigentlich nicht? – zu einer Bemessungsgrundlage seiner Bezahlung.

Die Typologie des Industriearbeiters, wesentlich durch die Fähigkeit charakterisiert, sich an vorhandene Strukturen und Prozesse optimal anzupassen, wird tendenziell durch die Typologie des bereits erwähnten "Knowledge Workers" ersetzt. Seine wesentliche Fähigkeit besteht darin, neue Informationen schnell als solche zu erkennen und produktiv zu verwerten: sie also in einen Zusammenhang stellen und in ihrer Relevanz bewerten zu können. Auch das muß selbstverständlich gelernt werden. Und da sind wir hierzulande nicht gerade Weltspitze.

Als der ehemalige INTEL-Boss Andy Grove sagte: "Ihr könnt mir alles nehmen, Telefon, Dienstwagen, Konferenzräume, aber nicht meine E-Mail, dann würde das Unternehmen wirklich Schaden leiden.", erntete er bei seinen deutschen Kollegen Schulterzucken. Für deutsche Manager ist auch der vernetzte PC noch wesentlich eine Schreibmaschine und gehört damit auf den Tisch der Sekretärin. Der typische deutsche Chef, lässt "surfen" und sich E-Mails in der Unterschriftenmappe vorlegen. Er hat bislang weder PC noch Internet begriffen, noch nicht gelernt, daß der eine längst zum wesentlichen Werkzeug und das Netz zum Medium der Arbeit geworden ist. Und schlimmer noch, sie bezeugen damit ihre Inkompetenz gegenüber einer wesentlichen Anforderung des Informationszeitalters, der Fähigkeit nämlich, ein Leben lang zu lernen. Denn die Fähigkeit zu arbeiten wird immer mehr durch die Fähigkeit zu lernen bestimmt.

Insofern ist die Vermittlung solcher Kompetenzen auch nicht mehr allein Sache der Schulen und Universitäten. Allerdings muß sie dort beginnen. Insofern ist die immer noch mangelhafte Ausstattung unserer Schulen und Universitäten mit PCs und Internet-Anschlüssen ein veritabler Skandal. Ein Skandal, der so schnell und gründlich wie nur irgend möglich beendet werden muß. Die Politik hat dafür die entsprechenden Rahmenbedingungen zu gestalten. Insofern ist es bestürzend, daß in der Regierungserklärung Schröders nicht mal das Wort "Internet" auftauchte. Kein Gedanke an eine nationale Initiative zum Aufbau einer "Informations-Infrastruktur", eines in die Zukunft weisenden deutschen Anteils am weltweiten Netz also. Kein Wort zu Al Gores Gedanken einer "Freihandelszone Internet", oder ähnlicher, adäquater europaweiter Maßnahmen zur Förderung des E-Commerce.

Aber verstehen Sie mich nicht falsch. Dies alles ist keineswegs nur die Sache irgendeiner Regierung. Wir alle sind aufgefordert aktiv zu werden und Visionen von einer vernetzten Zukunft unserer Arbeitswelt zu entwerfen.

Sicherlich werden neophobe Medienkritiker Sie gerne auf die allenthalben lauernden Gefahren dieser Entwicklung aufmerksam machen wollen. Nun, auch nach der Erfindung der Dampf-Lokomotive im 19. Jahrhundert diskutierten Wissenschaftler ernsthaft die Frage, ob das menschliche Gehirn überhaupt zur Verarbeitung so schnell vorbeiziehender Eindrücke gemacht sei. Aber ich will die Einwände nicht einfach abtun. Allerdings bin ich der Meinung, daß wir die Entwicklung von der Industrie- zur vernetzten Informationsgesellschaft weder verhindern können noch sollten.

Wer die neue Medien- und Arbeits-Welt gestalten will, braucht dazu vor allem eines: Visionen. Visionen davon, wie die kommunikativen und wirtschaftlichen Chancen der Vernetzung realisiert werden können. Visionen über die Ziele der Vernetzung. Was wollen und was können wir dadurch erreichen? Persönlich, in der Familie, im Unternehmen, in der Gesellschaft.

So entsteht mit dem neuen Medium auch eine neue, reifere Kommunikations-Kultur, die sich von der passiven Nutzung traditioneller Massen-Medien radikal unterscheidet – Sie erinnern sich an das eingangs zitierte neue Kommunikations-Paradigma. In einer immer komplexer werdenden, für den einzelnen immer bedrohlicher erscheinenden Umwelt, in der das “community”-Erlebnis früherer Gemeinschaften immer seltener wird, ist “das Netz” längst zu einer realen und immer attraktiver werdenden Alternative geworden. Die Vision einer neuen Virtuellen Gemeinschaft nimmt im Netz Gestalt an.

Genauso notwendig wie die sozialen sind aber auch Visionen über die gesellschaftliche Basis der eigentlichen Kommunikations-Inhalt. Die “3 großen Cs” interaktiver Kommunikation: Content, Community, Credibility (also: Inhalt, Gemeinschaft, Glaubwürdigkeit) müssen in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen und in ihrem Kontext deutlich identifizierbar sein. Dieser Dreischritt ist übrigens auch die unbedingte Voraussetzung jeder erfolgversprechenden E-Commerce-Strategie im Internet. Sie sehen also wie nah hier gesellschaftliche und wirtschaftliche Aspekte beieinander liegen, ja sich gegenseitig durchdringen.

Visionen zur Gestaltung neuer, medialer Lebens- und Lernwelten sind ebenso gefragt wie Visionen zur Gestaltung vernetzter Informationssysteme und Arbeitsweisen.

Die Grenzen zwischen einzelnen, früher getrennten Lebensbereichen verwischen sich im Zug dieser Entwicklung ebenso, wie die Grenzen der dem Internet zu Grunde liegenden Technologien. Das haben alle Visionen zu berücksichtigen. Die Aufgabe besteht nun nicht nur darin, all diese Themen visionär neu zu formulieren, sondern diese Vorstellungen mit Leben zu erfüllen und zu gestalten.

Mit der mutltimedialen Vernetzung entsteht also ein gänzlich neues Kommunikations-Paradigma, das unsere Gesellschaft, weit über den unmittelbaren Medienbereich hinaus, prägen und verändern wird. Diese Veränderungen werden Arbeit und Freizeit, Bildung und Kultur mindestens ebenso beeinflussen wie unser Kommunikationsverhalten. Umso notwendiger ist die mediale Ausbildung der zukünftigen Nutzer des neuen Mediums Internet, der Erwerb einer umfassenden Medien- und Kommunikationskompetenz. Warum lernen wir eigentlich zwar Lesen und Schreiben - also die Formen schriftlicher Kommunikation - lassen Multimedia und das Internet indessen - als Formen multimedialer Kommunikation - im schulischen Curriculum weitgehend außer Acht? Das ist nicht nur antiquiert, sondern birgt auch ein soziales Gefahrenpotential in sich: Eine Zweiteilung der Gesellschaft in aktive User und passive "Opfer" der Medien-Entwicklung wäre ein nicht wiedergutzumachender Fehler. Auf die sozialen und wirtschaftlichen Gefahren, die damit einhergehen hat der ehemalige Intel-Chef Andy Grove auf dem Weltwirtschafts-Forum in Davos eindringlich hingewiesen.

Wir müssen also grundsätzlich unsere Zukunftsfähigkeit unter Beweis stellen, um diese Entwicklung zu meistern. Dabei sollten wir auch die neuen, sich mit dem Internet und den ihm zu Grunde liegenden vernetzten Denk- und Arbeitsweisen, entfaltenden Geschäftsmöglichkeiten erkennen, um sie in unsere Geschäfts-Strategien integrieren zu können.

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