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Von ossiu am 17.12.08

Moderne Mythen Oder: Wenn man keine Ahnung hat ...

Was wäre ein Tag ohne Google News im Web - kaum vorstellbar! Aber bei dieser regte sich gar selbst der deutsche Blätterwald über ein ansonsten so gut wie unbehandeltes Thema auf, das allerdings in den USA schon seit Jahren die Gemüter und die Debatten im Web bewegt: die so genannte "Netz-Neutralität". Konkreter Anlass: ein ebenso verwirrter wie verwirrender Artikel des honorigen Wall Street Journal zum Thema.

Dort schrieb das Blatt, dass doch tatsächlich "ehemals" eifrige Unterstützer des Konzepts, wie Google und der Creative-Commons-Erfinder sowie Stanford Jura-Prof Lawrence Lessig, derzeit im Gespräch als Obamas Mann für "all things Internet", nunmehr von der gerechten Sache Abstand nehmen könnten.

Beide derart angeklagten wehrten sich zwar mit Händen und Füßen gegen derartige Unterstellungen und Professor Lessig belegte in seinem Blog sogar minutiös, dass er kein Jota von seiner bekannten Einstellung abgewichen war. Während der Google-Lobbyist Richard Whitt in seinem "Google Public Policy Blog" schrieb, dass der Konzern zwar durchaus Verhandlungen mit einigen großen Telcos führe, bei denen es aber um Vereinbarungen zu längst bekannten Methoden der optimierten Content-Auslieferung ginge.

Genauer: um "Colocation" und "Edge-Caching", wobei jeweils eigene Server eines Content-Anbieters im Netz eines Internet-Providers dafür sorgen, das der Content in diesem Netz immer zur Verfügung steht, was sowohl Kosten (für die Datendurchleitung aus anderen Netzen) spart als auch für eine schnellere Auslieferung der Inhalte an den "Rändern" des Internets, sprich bei den Endnutzern sorgt. Da die Daten somit immer im Netz eines Anbieters verbleiben, kann dieser auch dafür sorgen, dass sie, etwa bei zeitkritischen Anwendungen wie Voice over IP oder Video-Streaming, priorisiert und in entsprechender Qualität ausgeliefert werden.

Solchen Service bieten, gegen entsprechendes Entgeld, versteht sich, sowohl große Netzbetreiber wie etwa die Deutsche Telekom, BT oder NTT, um nur einige zu nennen, als auch netzunabhängige Dienstleister wie z. B. Akamai bereits seit Jahren an. Und in der Tat spricht einiges für eine derartige Priorisierung laufzeitkritischer Daten gegenüber solchen, für die das eben unkritisch ist, wie etwa Mail oder SAP-Anwendungen - so lange sie allen Marktteilnehmern zu gleichen Konditionen angeboten und den Nutzern und ihrem Nutzungserlebnis direkt zugute kommt.

"Netz-Neutralität" ist also weder ein antikapitalistisches Kampfmittel noch der große "Gleichmacher", sondern ein technisches Konzept zur Gewährleistung einer optimalen Datenvermittlung. Und zwar eines, das funktioniert und so soll es ja auch bleiben. Wogegen alle Unterstützer der Netz-Neutralität allerdings etwas haben, ist die Möglichkeit, dass das "Qualitäts-Bit", das für die Priorisierung eines Daten-Pakets sorgt, etwa einfach auf "Google" oder auch auf "MyVideo" (statt auf die Datenart "Video-Stream" oder "Audio-Stream") verweist, während die Pakete anderer Wettbewerber eben nicht bevorzugt weiter geleitet werden.

Natürlich sind solche Zusammenhänge viel zu kompliziert um "massentauglich" zu sein, also sogar für das "Massenmedium" Wallstreet Journal ungeeignet. Oder glaubt da etwa ein anderer Wettbewerber, ein gewisser Herr Murdoch, dem neben dem Wallstreet Journal auch globale TV- (BSkyB, SkyAsia etc.) und Online-Angebote wie MySpace gehören, sich so einen Vorteil gegenüber der bislang bruchlos Phalanx der Neutralitäts-Koalition verschaffen zu können ...?

Wie dem auch sein mag - ich glaube eher, dass in vielen Redaktionen (wie an vielen Stammtischen) Menschen sitzen, die zwar von Netz-Neutralität keinen blassen Schimmer haben, dafür aber sehr genau wissen, dass "Google-Bashing" inzwischen ein ebenso beliebtes wie verbreitetes Freizeit-Vergnügen ist. Zumal man damit eine kesse Lippe riskieren kann, selbst wenn man keine Ahnung hat.

Kommentare …


Moderne Mythen Oder: wenn der Web-Guru spricht


Zitat:
"ich glaube eher, dass in vielen Redaktionen (wie an vielen Stammtischen)
Menschen sitzen, die zwar von Netz-Neutralität keinen blassen Schimmer
haben, dafür aber sehr genau wissen, dass "Google-Bashing" inzwischen ein
ebenso beliebtes wie verbreitetes Freizeit-Vergnügen ist.

Zumal man damit eine kesse Lippe riskieren kann, selbst wenn man keine
Ahnung hat."


Sorry Ossi,
Deine Polemik finde ich, gelinde gesagt, etwas daneben!

Natürlich bringt der normale User bei der Stammtisch-Diskussion
(grenzenloses Web - Innovation und/oder Abzocke) öfters mal einiges
durcheinander, aber das rechtfertigt nicht diese "Publikumsbeschimpfung".

Auch als C't-Leser versuche ich mir ein eigenes Urteil zu bilden,
doch was inzwischen nervt: In Sachen Google gibt es nur noch
Pro und Kontra - so wie bei Bush junior.

Ossi, wäre es nicht anregender, auch mal abwägende Betrachtungen
und Informationen auszubreiten - und dem Leser die abschliessende
Meinungsbildung zu überlassen?

17.12.08 21:10   von Globo Klaus

Lieber Klaus,
meine Polemik richtete sich, wie der aufmerksame Leser bemerken wird, in erster Linie gegen die werten Journalisten Kollegen, deren Argumente in diesem Fall leider häufig über das Stammtisch-Niveau nicht hinauskamen. Außerdem geht es mir, wie den anderen Bloggern, hier ja nicht um eine "objektive" Berichterstattung, sondern um meinen Kommentar, also meine Meinung zu den andernorts berichteten Ereignissen.

Allerdings bin ich sehr dafür, hier Meinungen, meine wie die anderer, hier auch zur Diskussion zu stellen. Schwierig finde ich allerdings eine "generelle" Google-Debatte, da gerade dieses Unternehmen beinah täglich mit einer so großen Anzahl an Initiativen aufwartet, dass man sie kaum auf einen Nenner bringen kann.

Die Frage ist also: Was wollen wir hier diskutieren? Netz-Neutralität wäre ein Thema, von mir aufgeworfen. "Datensammelwut" ein anderes, von Dir an anderer Stelle aufgebracht ... Beide erscheinen mir der Diskussion durchaus würdig. Durchaus auch im Licht der von Peter Sloterdijk bei Zeit Online geführten Argumentation:
http://www.zeit.de/2008/51/Symbole-Sloterdijk-51

19.12.08 11:38   von Ossi Urchs