Sprung zur Navigation Sprung zum Inhalt
Ossi Urchs
Kontakt
F.F.T. MedienAgentur
Starkenburgring 6, 63069 Offenbach
Fon: +49 69—83 07 07 0
Fax: +49 69—83 07 07 2
lemon5 associate
Darstellung: NormalGroß  
<<   >>
Von ossiu am 17.10.05

No Risk, No Fun – Erfolgs-Strategien im Digitalen Handel

Vortag beim eBay "Powerseller" Tag, Düsseldorf, am 15. Oktober 2005

Bereits vor 10 Jahren ging mit „Net-Market“ nicht nur die erste E-Commece-Website online, im Juli wurde auch amazon.com und im letzten Monat eBay 10 Jahre alt.
Inzwischen sind, laut BVDW, allein in Deutschland 230.000 E-Commerce-Shops online – mit Umsatzsteigerungen, die ansonsten im Handel derzeit undenkbar wären: + 50%. E-Commerce hat also, wenn nicht unser Leben, dann doch unser Einkaufsverhalten entscheidend verändert. Bücher und DVDs kaufen wir bei Amazon, Apples iTunes-Store hat digitale Musik zu einem Teil unseres Lebens gemacht, und die Schnäppchen auf eBay machen Geiz erst richtig geil.

Erfolg wird bei all diesen Unternehmungen nicht linear, sondern, wie immer in vernetzten Umgebungen exponentiell gemessen: Denn intern hilft die Vernetzung dabei Prozesse zu vereinfachen, Hierarchien abzubauen und Laufzeiten zu verkürzen, also Kosten zu sparen, während extern über das Internet neue Märkte erschlossen und neue Kunden gewonnen werden – im Falle von eBay auch solche, die vom traditionellen Handel, auf Grund des Sortiment- und Preis-Gefüges gar nicht zu erreichen wären.

Deswegen stehen wir nun, nach der ersten „Pionierphase“ und der „Konsolidierungsphase“ am Ende des Dotcom-Booms, am Beginn einer dritten Phase der E-Commerce-Entwicklung, die ich „Integrationsphase“ nenne: es geht heute darum alle, internen wie externen Aspekte und Prozesse des eigenen Geschäfts mit einander zu vernetzen und online zu integrieren – einfach weil sich nur so nichtlineares Wachstum realisieren lässt! Nur im vernetzten Handeln mit einander haben wir alle heute noch die Chance auf Erfolg.

Dem gegenüber stehen allerdings mindestens so große Herausforderungen, die den Online-Handel im Zeichen allseitiger Vernetzung erwarten. Oder wie der Risk-Management Experte Frank Romeike in seinem Buch „Modernes Risikomanagement“ etwas lapidar formulierte:
„Nur die Unternehmen, die ihre Risiken vorausschauend erfassen, steuern und kontrollieren werden langfristig erfolgreich sein.“

Der Übergang vom Industrie- zum Informationszeitalter ist eben nicht so einfach und risikolos zu bekommen wie wir alle, sicher ein wenig naiv, dachten. Gilt es doch, nicht nur den Umgang mit einem neuen Medium zu erlernen - schon das allein ist schwer genug. Es geht heute darum, ganz neue Formen der Arbeit und des Handelns zu realisieren – um einen fundamentalen „Relaunch“ der ganzen Wirtschaft mithin.

Welches sind nun die spezifische Herausforderungen vor denen der Digitale Handel, und damit meine ich nicht nur den Handel mit digitalen Waren, sondern die Digitalisierung und Vernetzung aller Abläufe und Prozesse des Handels, heute steht?

- eine ebenso durchdachte wie exakt definierte „Multi-Channel-Strategie“ muss in der Kundenkommunikation wie bei der eigentlichen Transaktion etabliert werden; dabei reicht es nicht, die Kunden möglichst zahlreich in den „Online-Channel“ zu bewegen – Spezifika neuer mobiler oder auch digitaler (Transaktions-)TV-Kanäle sollten zumindest perspektivisch berücksichtigt werden;
- der schnell wachsende Online-Vertrieb von digitalen Waren, Musik und Videos, Spiele und Software, der noch ganz am Anfang seiner Entwicklung steht, aber bereits hervorragendes Entwicklungspotential verspricht, basiert auf geringen Margen bei hohem Volumen und muss entsprechend gemanagt werden – besondere Bedeutung kommt dabei dem sog. „Long Tail“ zu, der dem stationären Handel verschlossen bleibt: Nischen, in denen von einzelnen Titeln nur geringe Stückzahlen verkauft werden, deren Gesamt-Volumen aber jeden Blockbuster übertrifft;
- der Online-Shop muss zu einem einfach zu bedienenden und attraktiven Forum werden, das der Kunde weit gehend selbst gestalten und managen kann; dabei kommt es darauf an, die Interaktion mit einem immer selbst bewusster auftretenden „Nutzer-Kunden“ auszubauen und pro-aktiv zu entwickeln!
- und schließlich: gerade beim Online-Kauf, bei dem beide Beteiligte sich oft weitgehend anonym gegenüber treten, muss ein externer Dritter, als „Trusted Third“ Vertrauen in Ablauf und Ergebnis der Transaktion auf beiden Seiten schaffen – eBay hat mit der weltweiten Handelsplattform und vor allem dem bahn brechenden Bewertungssystem für Verkäufer exemplarisch gezeigt, wie so was, zum Vorteil der Beteiligten funktioniert.

Diese Aufzählung erhebt keineswegs Anspruch auf Vollständigkeit, sie soll lediglich die Vielfalt der neuen Aufgaben illustrieren – will man als Online-Händler nicht im „Schwarzen Loch“ (Folie!) enden. Für eine erfolgreiche E-Business-Strategie reicht es also nicht, vernetzte Strukturen und Abläufe aufzubauen; digitale und analoge Elemente, technische und wirtschaftliche Aspekte, virtuelle und höchst reale Welten müssen in einem E-Business-Unternehmen reibungslos miteinander funktionieren. Ein langer und beschwerlicher Weg. Aber eben auch ein lohnender und durchaus profitabler Lernprozess.

Das Ziel dieses Lernprozesses hat Tim Berners-Lee, der Vater des World Wide Web, dessen Original-Vorschlag zu einem World Wide „Mesh“ aus dem Jahr 1992 Sie auf der Folie sehen, in seinem Buch „Weaving the Web“ auf den Begriff gebracht:

"The Web brings the working of society closer to the working of our minds."
Tim Berners-Lee


In einer vernetzten Gesellschaft und Wirtschaft müssen wir also lernen, so zu funktionieren wie unser eigener Geist. Das hört sich einfach an, ist aber von den philosophischen wie von den wirtschaftlichen Implikationen ausgesprochen schwer zu realisieren. Bevor wir uns dieser Zukunftsaufgabe widmen, scheint es angebracht, einen Moment bei der Gegenwart des Internet zu verweilen, denn die sieht, jenseits aktueller Depressionen, an den Börsen wie in den Köpfen, gar nicht so übel aus.

- Über 950 Millionen Menschen haben Zugang zum Internet, knapp 55% der Bevölkerung in D (laut NUA und GfK) ...
- Über 80 Millionen WWW-Domains weltweit und ca. 9 Millionen .DE-Domains gibt es heute
- Die schier unvorstellbare, wenn auch mit Vorsicht zu genießende Zahl von 10 Milliarden Web-Seiten ist online und
- 2004 Retail-E-Commerce in D 22.3 Mill. € (+74%), bis 2008 Steigerung auf 89,4 Mill. € (European Information Technology Observatory im Auftrag des Bitkom)

Und damit ist das Internet nicht nur das am schnellsten gewachsene Medium aller Zeiten, es ist zu einem unverzichtbaren Bestandteil unsers alltäglichen Lebens, unserer Arbeit wie unserer Freizeit geworden.

Was bedeutet es denn eigentlich, wenn aktuell über 30 Millionen Menschen allein in Deutschland im Web einkaufen und ihre Bankgeschäfte erledigen? Einen Strukturwandel unseres Einkaufsverhaltens und unseres Wirtschaftslebens. Es bedeutet aber auch und darüber hinaus, dass sich unsere ganze Art zu leben und zu lernen, zu arbeiten und Geschäfte zu machen, im Zeichen der Vernetzung gerade fundamental verändert.

Vor allem bedeutet es, dass wir die Entwicklung einer „Digitalen Wirtschaft“, die wir bislang allenfalls miterlebt haben, erst einmal verstehen müssen. Was sind also die wesentlichen Gründe für besagten Strukturwandel?

Die beiden wichtigsten Gründe für den Erfolg der gesamten E-Commerce-Entwicklung sind ein bislang unbekanntes Maß an Bequemlichkeit, von der Zeit- und Ortsunabhängigkeit des Einkaufs bis zur Anlieferung der Waren, gepaart mit einer völlig neuen Transparenz des Angebots im Sinne der Vergleichbarkeit von Preisen, Qualität und Leistungen, bis hin zu den Erfahrungen, die andere Kunden mit einem Produkt bzw. einem Online-Shop gemacht haben. Und genau das führt in der Konsequenz zu einem bislang undenkbaren „Machtzuwachs“ für den Kunden. Dieser Kunde ist heute oft besser informiert und kompetenter als jeder Fachverkäufer, und damit entscheidend für den Erfolg oder den Misserfolg jedes Angebots, ja jedes Online-Shops: Findet er nicht genau das, was er sucht, kann er mühelos sofort eine passende Alternative wählen. Der „Angebots-Markt“ früherer Zeiten hat sich im Internet also radikal zu einem „Kunden-Markt“ gewandelt.

Entscheidend für den Erfolg ist also im E-Commerce nicht mehr die Angebots-Seite, wie bis vor Kurzem in der Wirtschaftswissenschaft immer noch behauptet, sondern die Nachfrage-Seite, auf gut deutsch: Der Kundenwunsch!

Wo aber Erfolg unmittelbar davon abhängt, die Wünsche und Vorstellungen jedes einzelnen Kunden nicht nur zu verstehen, sondern auch erfüllen zu können, dort sind klassische Erfolgsfaktoren wie Größe, Sortimentsvielfalt und Reichweite nicht mehr entscheidend. Im Gegenteil: Im digitalen Handel entwickelt sich eine „Reverse Economy of Scale“, die eben nicht mehr darauf beruht, möglichst große Stückzahlen von einem Produkt zu verkaufen, sondern möglichst viele, unterschiedliche Produkte anzubieten, die genau zu einem, individuellen Kundenwunsch passen. Also den erwähnten „Long Tail“ abzudecken, dessen Umsatz-Volumen insgesamt, das jedes einzelnen Artikels, und sei er noch so erfolgreich, weit übertrifft.

Und wo es nicht allein um den Vertrieb digitaler Waren geht, ist eine möglichst enge Verbindung physischer Artikel, mit einem möglichst großen Spektrum digitaler Produkte und Dienste Erfolgs entscheidend. Wie profitabel ein solches „digitales Öko-System“ sich gegenseitig bedingender und produktiv beeinflussender Angebote werden kann, kann man von Apple lernen: die Verbindung der „iTunes“-Software mit dem Online-Store und dem „iPod“ ist jenseits des Hypes so erfolgreich, weil jeder Kunde sich aus diesem Angebot sein „persönliches“ Produkt zusammenstellen kann – was inzwischen bereits für ein Drittel des Apple-Umsatzes sorgt. Und vielleicht können wir schon bald ähnliches über die neue Verbindung von eBay und Skype sagen.

Dieser fundamentale, durch das Internet und seine Nutzer herbeigeführte Strukturwandel, bedeutet für Sie als Online-Händler also: Sie müssen sich den Wünschen ihrer Kunden öffnen. Mit anderen Worten: sie müssen sich mit Kunden, Partnern und Mitarbeitern vernetzen – in einem bisher nicht vorstellbaren Maß. Und das gilt nicht nur für weltweit operierende Konzerne, sondern auch für jedes noch so kleine E-Commerce-Unternehmen! Oder wie es der amerikanische Management-Guru Tom Peters salopp formulierte: „Das Internet verändert ALLES. Beschäftigen Sie sich intensiv damit. Sonst wird es verdammt eng!“

So schön das klingt, so mühselig kann dieser Weg in der Praxis sein. Wir alle müssen doch erst einmal lernen, das eigene, hoffentlich bereits vielseitig vernetzte Unternehmen, dynamisch auf die ebenso dynamischen Stimuli des Marktes, der Mitarbeiter und vor allem der Kunden reagieren zu lassen. Denn daran führt kein Weg vorbei!

A propos „Kunde“: Wie sieht dieser Wandel eigentlich aus Perspektive des Kunden aus?

Vernetzung wird für den Kunden immer mehr zur Selbstverständlichkeit und ebenso genutzt – und damit zu einem „Lifestyle-Phänomen“. Da Wirtschaft sich aber – wenn überhaupt – einem Lifestyle nur im Sinne seiner Verwertung widmen kann, während der Kunde als „Zeitgenosse“ ihn nicht etwa nur konsumiert, sondern (er-)lebt und bewusst oder unbewusst vorantreibt und gestaltet, hat sich eben dieser Kunde zum „Motor“ und eigentlichen Treiber der Entwicklung hin zur digitalen Wirtschaft gemausert:

Der nächste große Entwicklungsschritt hin zu einer digitalen Wirtschaft wird vom Endkunden und Konsumenten ausgehen und getrieben werden.

Sicher wirft dieser hochdynamische Kunde, zumal in wirtschaftlich unsicheren Zeiten, nicht sein Geld um sich. Hat er sich aber erstmal an die neue Situation gewöhnt, sieht er, dass „es weiter geht“, dann will er auch wieder dies oder das kaufen. Dabei spielt die Art des Angebots für ihn keine wesentliche Rolle – wirtschaftlich nicht, so lange er es sich leisten kann, und technisch nur dann, wenn die Faszination einer Technologie auf ihn abzufärben verspricht: wie die „PS“ des Autos früher oder die Megahertz(en) des Laptops heute.

Nicht die Beschaffenheit einer Lösung, die in ihr enthaltene technische Eleganz und Ingenieurs-Kunst, sondern allein das Ergebnis zählt. Und das soll gefallen. Das war früher, unter den Bedingungen industriell gefertigter Serialität, allenfalls an der Oberfläche möglich. Digitale Produkte erlauben dagegen eine sehr viel weiter gehende Differenzierung, ja Individualisierung. In der digitalen Manufaktur der Zukunft werden Produkte „on demand“, also den Wünschen des Kunden entsprechend gefertigt – wenn er nicht selbst daran beteiligt wird.

Der Trend, der sich in diesem Phänomen zeigt, geht weit über die darin erkennbare Partikularisierung der Wirtschaft und die Personalisierung der Produkte hinaus. Er verweist auf einen rasant zunehmenden Wunsch nach Selbstbestimmung. Was im gesellschaftlichen Diskurs noch nicht einmal thematisiert wird, findet auf der konvergenten technischen Plattform des Informationszeitalters bereits täglich statt: Interaktion und Personalisierung. Und damit wird der Kunde in der vernetzten Wirtschaft auf einmal wieder, was er angeblich schon so lange ist: ein „König“. Nur weiß er davon (noch) nichts. Doch über kurz oder lang wird er es merken und sich seiner Macht bewusst werden.

Und die Wirtschaft wird sich mit diesem neuen Kunden anfreunden müssen. Dabei muss sie zunächst einmal lernen, Kunden nicht juristisch zu bekämpfen, wie es die Musik-Industrie versucht, sondern die Wünsche ihres Kunden, d. h. auch seine Gewohnheiten, Denkweisen und Vorlieben, zu verstehen, um ihm entsprechende Angebote zu machen. Jedes einzelne Unternehmen muss also wirklich bereit und in der Lage sein zu lernen, will es nicht sang- und klanglos von der Bühne zu verschwinden.

Diesen Zusammenhang zu verstehen, den Kunden also als eigentliches Kapital und wesentlichen „Treibstoff“ des Unternehmens zu sehen, wird immer mehr zum „Grundgesetz unternehmerischen Handelns“ und zum entscheidenden Erfolgsfaktor einer sich hochdynamisch entwickelnden digitalen Wirtschaft.

Gerade für den Handel im Internet, der in unmittelbaren Kontakt zu diesem neuen und selbstbewussten Kunden steht, kommt es also darauf an, sich als ganz und gar „kundenzentriertes“ Unternehmen – mit allen Chancen und Risiken, die das bedeutet - neu zu erfinden.

Wir alle müssen lernen, die Welt und unser Geschäft durch die Kunden-Brille zu sehen, die Erfahrungen des Kunden mit ihm zu teilen. Das eigene Unternehmen weniger am Börsenwert, sondern an dem Wert, den es für den Kunden hat, zu messen. Einfach um die offensichtliche Energie und Dynamik, die dieser neue Kunde entfaltet, für das Unternehmen nutzbar zu machen.

Das wird nur funktionieren, wenn wir alle lernen, mit unseren Kunden auf gleicher Augenhöhe und mit menschlicher Sprache zu kommunizieren. Dazu müssen wir unseren Kunden erstmal genau zuhören. Nur so, als passionierte Zuhörer und (bei Bedarf) auch mal kompetente Gesprächspartner, haben Unternehmen im Internet die Chance schon heute Trends zu erkennen, die morgen den Mainstream-Markt bestimmen werden.

Warum das sowohl (über-)lebensnotwendig als auch Erfolg versprechend ist, kann jeder Online-Händler von eBay selbst lernen:

Jeder eBay-Nutzer kann – unter Wahrung bestimmter rechtlicher und ethischer Grenzen – anbieten, was er will: vom historischen Brillengestell bis zum High-Tech-Spielzeug, von der Konzertkarte bis zum Gabelstapler. Damit erhöht jeder neue Anbieter nicht nur die Attraktivität der Plattform für alle anderen Nutzer, er steigert auch den Umsatz, den das Unternehmen eBay aus den Provisionen erzielt. Damit ist eBay geradezu beispielhaft in der Realisierung des so genannten „Netzwerk-Effekts“, der nicht-lineares Wachstum erst ermöglicht.

Das von eBay eingeführte Bewertungssystem, bei dem Käufer die Verkäufer für jeden anderen Nutzer sichtbar beurteilen, etabliert Vertrauen als erste weltweit gültige “Internet-Währung”. Die vollständige und von keinem Nutzer beeinflussbare Transparenz des Systems schützt alle (weit gehend) vor Missbrauch und sorgt für die Glaubwürdigkeit der Plattform und jeder einzelnen Transaktion. Damit werden nicht nur die Grundlagen für eine funktionierende Interessengemeinschaft (“Community of Interest”) gelegt, es wird auch Hoffnung geschürt: Hoffnung auf ein “Schnäppchen”, oder Hoffnung auf einen willkommenen (Neben-) Verdienst. Eine Hoffnung in jedem Fall, die auf die Marke eBay emotional einzahlt.

Damit wurde die Marke eBay zum Synonym für das Internet als weltweiter “Schnäppchen”-Markt und gleichzeitig zum popkulturellen Phänomen. Für den Internet-Vordenker Tim O’Reilly ist eBay beispielhaft für das, was er die „Web Version 2.0“ nennt:

„Die ‚Web 2.0’ Lektion: Self-Service auf Kundenseite und automatisiertes Daten-Management erlauben es, das ganze Web zu erreichen, auch die Ränder, nicht nur das Zentrum, nicht nur den Kopf, sondern den ganzen Long Tail.“

Diese von O’Rilley zuerst genannte, ganz besondere Art von Service, nämlich ein Service, den der Kunde sich selbst angedeihen lässt, steht auch ganz weit oben in der aktuellen „Hitliste“ der E-Commerce-Kundenwünsche. Die Kunden glauben, dass sie von sich selbst am besten behandelt werden. Versuchen Sie also erst gar nicht, sie darin zu übertreffen. Richten Sie sich danach. Wie alle erfolgreichen Unternehmen im Internet – von eBay bis Amazon.

Noch davor steht nur die Zahlungs-Sicherheit als Kunden-Hit. Aber die ist bei eBay, Dank Paypal und der gerade bekannt gegebenen Übernahme des Verisign-Zahlsystems, eigentlich kein Thema mehr. An der „schnellen Lieferung“ hingegen muss der eine oder andere sicher noch arbeiten. Und was das Sortiment betrifft, gilt es, zu verstehen, dass der Kunde damit eben nicht die Vielzahl der Angebote meint, die er gerade eigentlich nicht sucht. Unter einem guten und aktuellen Sortiment versteht ein Kunde immer genau das, was er im Moment will. Also ein „spitz“ auf seine Wünsche zugeschnittenes Angebot. Sie sehen: Es kommt auch bei dieser Hitliste, wie beim Kunden überhaupt, darauf an, ihm genau zu zuhören, um ihn ebenso genau verstehen zu können.

„Wir haben verstanden“ darf hier also kein hohler Werbe-Slogan bleiben, sondern muss zur erlebten Realität des Kunden werden. Gerade im Internet-Handel ist es, wie wir gesehen haben, überlebenswichtig, jeden einzelnen Kunden besser kennen und verstehen zu lernen. Warum?

Weil das Internet sich in den letzten 10 Jahren – und damit schneller als jedes andere Medium zuvor – zu einem veritablen Massenmedium entwickelt hat. Zu einem Massenmedium "neuen Typs" allerdings. Waren in allen bisherigen, "linearen" Massenmedien "Sender" und "Empfänger" prinzipiell, technisch wie ökonomisch, voneinander unterschieden, so gilt dieses Kommunikationsparadigma im Internet nicht mehr: In diesem "interaktiven" Massenmedium kann jeder Nutzer sowohl Sender wie auch Empfänger sein und so prinzipiell jederzeit mit jedem anderen Nutzer in Austausch treten. Und je reifer und entwickelter das Internet und seine Nutzer sind, denken Sie etwa an Weblogs oder die P2P-Netze, desto mehr wird sich dieses Potential auch realisieren, desto mehr also wird das Internet zu einem interaktiven und personalisierten Massenmedium, werden.

Indem etwa die an einem Thema interessierten Nutzer eines Peer-To-Peer-Netzes direkt miteinander in Austausch treten, wirkt ihre vernetzte Kommunikation wie das Zusammenspiel unterschiedlicher sensorischer Impulse, aus denen sich im menschlichen Bewusstsein ein Bild seiner Umgebung zusammensetzt. – Sie erinnern sich an die Worte von Berners-Lee: Die Vernetzung bringt die Menschen dazu, immer mehr so zu funktionieren wie ihr eigenes Gehirn, ihr eigener Geist.

Dem haben auch alle auf dieser Art der Vernetzung aufsetzenden Geschäftsmodelle Rechnung zu tragen: Sie müssen also überlegen, wie Sie die Vorteile, die das Internet dem Nutzer bietet, für Ihr Geschäft nutzen können.

Auch jede Form "kommerzieller Kommunikation", also der Austausch zwischen Unternehmen, Kunden und Partnern, ist von dieser Veränderung betroffen. Im Internet geht es nicht mehr um "Zielgruppen" und "Marktsegmente" sowie deren "kleinsten gemeinsamen Nenner", sondern um Wünsche und Bedürfnisse jedes einzelnen Nutzers und damit potentiellen Kunden. Nicholas Negroponte, der Gründer des Media Lab am MIT, hat darauf schon vor Jahren visionär hingewiesen:

“Instead of advertisers soliciting response, they’ll have to respond to the solicitations of potential customers.“

Nicht mehr das Marketing formuliert also die gewohnten "Messages". Im Gegenteil: Im Internet muss es auf Bedürfnisse und Interessen jedes einzelnen Kommunikationspartners adäquat reagieren.

Was Sie hier deutlich spüren, ist die „neue Macht“ des Kunden in einem von der Nachfrage geprägten Markt. Und diese Kunden sehen nicht mehr ein, warum sie auf die neue Freiheit und die ungewohnte Macht, die das Internet ihnen bietet, ausgerechnet bei E-Commerce-Angeboten verzichten sollten. Einfach weil sie inzwischen Besseres gewohnt sind. Das Problem liegt also auf der Anbieterseite, auf Seiten der Unternehmen, die immer noch nicht verstanden haben, wie sie die Wünsche ihrer Kunden erfüllen sollen: Mehr als 50% aller Online-Einkäufe werden hierzulande vor dem Abschluss abgebrochen – eindrucksvoller lässt sich die Unzufriedenheit der Kunden kaum belegen.

Das ist die Herausforderung. Und die ist nicht gerade klein. Ihr gegenüber steht allerdings eine ebenso große Chance: Kein anderes Medium bietet bessere Möglichkeiten einen optimalen, ganz auf den einzelnen Kunden abgestimmten Service zu bieten, als dieses – Sie erinnern sich – interaktive und personalisierte Massenmedium neuen Typs.

Das Schlüsselwort für alle Formen kommerzieller Kommunikation in diesem Medium heißt: One To One Marketing. Wenn es auf Grund des geltenden Kommunikationsparadigmas keinen Sinn macht, allgemeine Werbebotschaften auszusenden, dann kann ich meinen Kommunikationspartner auch direkt fragen, welche Interessen, Bedürfnisse und Neigungen ihn bewegen und genau feststellen, welche passenden Angebote ich in diesem Zusammenhang formulieren kann. Wenn wir uns so – wie im richtigen Leben – immer besser kennen lernen, werden wir Gemeinsamkeiten entdecken, über die wir uns im Laufe der Zeit immer intensiver und ausführlicher verständigen können. Und damit haben wir en passant den Grundstein zu einer Gemeinschaft gelegt: zu einer virtuellen Interessengemeinschaft, oder Community Of Interest – wie sie heute etwa um zahlreiche Weblogs herum entstehen.

Und nirgendwo gibt es mehr solcher Gemeinschaften als im Internet, wo ihre Entstehung weder durch zeitliche noch geographische Grenzen behindert wird. Kaum ein Thema bleibt unbehandelt, kaum ein Interessensgebiet, um das sich noch keine Gemeinschaft versammelt hätte: Ob es um Essen oder Spiele geht, um Musik oder digitale Kunst. In jedem Fall geht es um die Realisierung kommunikativer Zusammenhänge, in deren Mittelpunkt immer der einzelne, individuelle Kommunikationspartner mit seinen persönlichen Interessen steht.

Wer diesen Interessen eine Plattform bietet, wer sie mit eigenen Informationen und Angeboten bereichert, dem ist kommunikativer und kommerzieller Erfolg so gut wie sicher. Nichts anderes besagt die Regel der "3 großen C" der Internet-Kommunikation:

Content – Credibility – Community – deren Ergebnis durchaus das 4. C sein kann: Commerce. Zunächst geht es also um ein Thema. Desto qualifizierter oder unterhaltender ich dazu Input, in Form von Informationen und Meinungen, liefere, desto glaubwürdiger werde ich als Kommunikationspartner, also als Teil der Gemeinschaft. Und je glaubwürdiger ich werde, desto mehr Gewicht erhalten meine Argumente und Informationen – auch und gerade wenn ich sie vor einem kommerziellen Hintergrund formuliere. Bei einem der Gemeinschaft bekannten Kommunikationspartner wirkt dieser Hintergrund nicht störend, er verleiht dem Argument noch mehr Gewicht – einfach weil der Kommunikationspartner und potentielle Kunde einen praktischen Nutzen davon hat.

Insofern kann eine funktionierende Online-Community und die damit notwendig einher gehende „multidimensionale“ Vernetzung aller daran – intern wie extern – Beteiligten, durchaus zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor im E-Commerce werden. Vorausgesetzt, die Kunden haben einen praktischen Vorteil, einen echten Nutzen davon. eBay ist dafür einmal mehr ein hervorragendes Beispiel. Was ich damit meine, sollte klar werden, wenn wir uns die Übernahme von Skype, die ja von vielen verständnislos bis kritisch beurteilt wurde, unter diesem Aspekt genauer ansehen:


2,1 Milliarden US-Dollar zahlt eBay für das Internet-Telefonie Unternehmen Skype - ein Preis, der sich bis 2008 sogar auf 4 Milliarden steigern könnte. Wofür eigentlich so viel Geld? Was kann der Sinne eines solchen Deals sein? Ist da wieder mal blanke Gier am Werk? Eine Goldgräberstimmung wie zu den Hochzeiten des "Dotcom-Booms"? Nichts von alledem!

Zunächst werden direkte und kostenlose Telefongespräche übers Internet die Kommunikation der eBay-Nutzer unter einander vereinfachen und beschleunigen, voraussichtlich also kräftig intensivieren. Und das ist gut für eBays Kerngeschäft: Ein Anruf in letzter Sekunde könnte in Zukunft auch eine eBay-Auktion entscheiden, genau wie wir es aus traditionellen Auktionen kennen.

Außerdem wird der eBay eigene Zahlungsdienst Paypal die Nutzung kostenpflichtiger Skype-Dienste, etwa Telefonate ins Festnetz, deutlich vereinfachen und damit ebenfalls intensivieren. Und schließlich werden zwei riesige "Communities", mit einander verbunden und intensiver vernetzt als je zuvor. Nach Angaben von Skype haben bislang mehr als 150 Millionen Nutzer die Skype-Software aus dem Internet geladen, 50 Millionen davon sind auch aktive Nutzer.

Allein das wird für neue, heute noch nicht sichtbare Synergien und Geschäftsmöglichkeiten sorgen. Oder wie Tim O’Rilley dazu sagte: „eBays eigentliches Produkt ist die Aktivität der Nutzer; und wie das Web selbst wächst eBay organisch im Verhältnis zur Aktivität seiner Nutzer.“ – was man als „Network Economy“ bezeichnet.

Weil die weiter gehende und intensivere Vernetzung den Kunden praktische Vorteile und echten Nutzen bringt: sie macht ihre Kommunikation einfacher und effektiver. Und schafft damit ganz neue Möglichkeiten und Formen des Austausches. Und wie man daraus ein profitables Geschäft macht, hat eBay selbst bereits am besten bewiesen: Denn der Austausch zwischen Anbietern und Kunden, nicht die gehandelte Ware, ist schon immer der Kern des Geschäfts von eBay gewesen.

Was sich hier wieder deutlich zeigt, ist die Existenz und Weiterentwicklung eines neuartigen, dynamischen und multi-dimensionalen „Wertschöpfungsnetzes“. Es unterscheidet sich fundamental von der alten, bekannten „Wertschöpfungskette“, vom Zulieferer über den Hersteller bis zum Händler. In einem Wertschöpfungsnetz gibt es solch lineare Beziehungen nicht mehr. Vielmehr treten alle Akteure in immer wieder wechselnden und neuen Rollen mit einander in Beziehung und schaffen dadurch neue Werte, bzw. fügen bereits vorhandenen, neue Bestandteile hinzu. Grundlage dieses Wertschöpfungsnetzes ist der so genannte „Netzwerk-Effekt“, von dem wir schon gehört haben. Robert Metcalfe, der Erfinder des Ethernets und Gründer von 3COM, hat ihn erstmals beschrieben:

Der Wert eines Netzes steigt quadratisch im Verhältnis zu Größe des Netzwerks.

Je mehr Nutzer ein Netzwerk also zählt, desto wertvoller wird der Zugang zu diesem Netz. Und je mehr vernetzte Einheiten in diesem Netzwerk verbunden sind, desto höher ist auch der Wert jeder einzelnen vernetzten Einheit.

Grundlage der Bemessung ist hier nicht mehr die statische und lineare "Wertschöpfungskette", sondern etwas, daß ich als "Wertschöpfungsnetz" bezeichne: es handelt sich dabei um ein komplexes Geflecht, einem natürlichen Öko-System ähnlicher als einer von Menschen erdachten Struktur, in dem Hersteller und Lieferanten, Händler und Kunden, wechselseitig, also auch in durchaus wechselnden Rollen und Funktionen, dynamisch miteinander verbunden sind.

In einem solchen Wertschöpfungsnetz tritt auch Metcalfe’s „Netzwerk-Effekt“ auf: mit jedem neuen Nutzer steigt nicht nur der Wert, sondern auch die Attraktivität des Netzwerks, was zusätzlich zum exponentiellen Wachstum beiträgt. Darüber hinaus bedeutet ein solch multidimensionales Netzwerk vor allem eine neue Dimension der Kommunikation und des Kundenutzens – denken Sie an Skype. Und dieser Kundennutzen, das wollte ich Ihnen heute nahe bringen, ist die Grundlage jeder nachhaltigen Wertschöpfung im Internet – also auch im Online-Handel. Oder um es kurz zu machen: „Kunden-Orientierung“ war gestern. Heute steht und fällt Ihr Geschäft mit dem Nutzen, den Ihr Kunde davon hat.

Wer das als Interaktion mit dem Kunden versteht, wer es also versteht, den Netzwerk-Effekt für sein Unternehmen im Internet zu realisieren, der hat die wesentlichen Kriterien zur Entwicklung der im E-Business wirksamen Erfolgsfaktoren an der Hand. Was also macht erfolgreiche E-Business-Unternehmen aus?

- ein vollständig – intern wie extern vernetztes Unternehmen
- Mitarbeiter, die diese Vernetzung nicht nur akzeptieren, sondern „leben“!
- Ein neues Kundenbild durch die gesamte Organisation hindurch, denn der Kunde ist nicht nur König, er ist der Kern Ihres Netzwerkes – nicht etwa die Telekom oder ein Rechenzentrum. Denn je weiter Sie ihren Kunden von der Peripherie ins Zentrum holen, desto weniger wird er Ihr Netz wieder verlassen wollen – bauen Sie Ihr Netz also um Ihre Kunden herum!
- Etablieren Sie innovative Arbeitsformen in vernetzten Teams – nur sie können schnell und differenziert genug auf Kunden-Anforderungen reagieren.
- Und natürlich brauchen Sie alles, was erfolgreiche Unternehmen schon immer erfolgreich machte: ein attraktives Angebot, professionelles Fulfillment, eine zuverlässige Logistik, ein funktionierendes Billing und einen optimalen Service.

All diese Anforderungen kann kein Unternehmen allein erfüllen, schon gar nicht im Zeitalter der Network Economy. Chancen ergeben sich hier nur durch die allseitige Vernetzung mit möglichst vielen der besten an der Wertschöpfung beteiligten Unternehmen. Dabei muss jedes Unternehmen lernen, das Internet zu seinem eigenen wirtschaftlichen Vorteil zu nutzen. Und das geht in der vernetzten digitalen Wirtschaft nur, wenn der Kunde das als seinen eigenen Vorteil erkennt.

Powerpoint Präsentation (5,7 MB!)

Kommentare …

der aktuelle youtube Deal unterstreicht nochmals den "network economy" Aspekt.
Damit wird
>>>Dieser fundamentale, durch das Internet und seine Nutzer herbeigeführte Strukturwandel, bedeutet für Sie als Online-Händler also: Sie müssen sich den Wünschen ihrer Kunden öffnen. Mit anderen Worten: sie müssen sich mit Kunden, Partnern und Mitarbeitern vernetzen – in einem bisher nicht vorstellbaren Maß. Und das gilt nicht nur für weltweit operierende Konzerne, sondern auch für jedes noch so kleine E-Commerce-Unternehmen! Oder wie es der amerikanische Management-Guru Tom Peters salopp formulierte: „Das Internet verändert ALLES. Beschäftigen Sie sich intensiv damit. Sonst wird es verdammt eng!“<<<<
diese Aussage ein echtes MUSS für den noch so kleinen E-Commerce betreiber, was ja im weiteren Sinne jeder Unternehmer in gewissen Bereichen zukünftig sein muss.

12.11.06 15:15   von Gerhard Brauckmann