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Von ossiu am 13.01.05

"Net-Art" - Kunst im Netz

Vortrag bei der Ausstellung "Übergriffe", München, im Mai 2002

Im Internet ist Kunst immer und notwendig Design: Kommerzielle Kunst.

Weil das Medium sich in den letzten 5 Jahren zumindest immer kommerziell definiert hat: als Business-Modell.

Bob Metcalfe’s Theorie der „Network Economy“ belegt das eindrucksvoll.

Interessant ist, dass die Kunst bzw. das Design im Internet damit kein Geld verdient – weil es kein allein wertvolles Original hervorbringen kann: Jede Hervorbringung in digitalen Umgebungen ist prinzipiell kopierbar, bzw. „clonebar“, also nicht zu schützen.

Wenn der Künstler nicht im Besitz des Originals bleibt, ist er nur als künstlerische Person wirtschaftlich zu bewerten. Das entsprechende Geschäftsmodell heißt dann: zurück zum Mäzenatentum: Der Künstler wird bezahlt, nicht seine Hervorbringung.

Das entspricht übrigens auch historisch der Manufaktur des vorindustriellen Zeitalters, die auch das Business-Modell für das Internet insgesamt abgibt.

Industrielle Massenfertigung ist im Internet (als persönliches „One-To-One-Medium“ nicht gefragt: Personalisiert, „Customized“ (maßgeschneidert) muss jede Lösung sein, die dem medialen Charakter des Internet entsprechen will. Und wird damit wieder zu einem künstlerischen, einzigartigen Akt.

Doch damit nicht genug der Paradoxien.

Was ist „Kunst“ eigentlich und wesentlich? Die Veränderung der Perspektive. Sie besteht in der eigenwilligen und kontroversen, ja anarchischen, jedenfalls neuen Sicht der Dinge. Kunst verändert unsere Anschauung der Welt, unser Welt- und Wirklichkeitsbild, also.

Das Internet geht noch darüber hinaus, indem es nicht allein unsere Sicht auf die Wirklichkeit, sondern die Gesamtheit all dessen, was wir für wirklich halten, verändert.

Wir schauen nicht auf sondern durch den Bildschirm (Brenda Laurell: „Through the Looking Glass“). Wie durch ein Fenster, in eine andere, fremde Welt, in eine Welt aus Daten, in eine digitale Welt – in den „Cyberspace“: eine Welt aus Nullen und Einsen, dargestellt durch fließende oder unterbrochene elektrische Ströme, aus denen sich ein netz aus Informationen und Meinungen, Bildern und Räumen zusammensetzt.

Das ist nichts, was wir eigentlich für wirklich halten würden. Und doch schauen wir durch den PC-Monitor in eine „Wirklichkeit“. Nicht nur am 11. September oder beim Einkaufen, sondern mit jedem Mal, da wir durchs Web surfen, mehr.

So wird der Cyberspace als Raum der Kybernetik, der Lehre von den Regeln des Austausches zwischen autonomen, sich selbst regulierenden Systemen mehr und mehr zu einer Wirklichkeit, wenn auch zu einer „virtuellen“: Zu einer Wirklichkeit also, die sich zwar mathematisch berechnen und sinnlich erfahren, nicht jedoch physikalisch nachweisen lässt.

Ist das aber nicht genau das, was Kunst immer – von den Höhlenzeichnungen in Lasceaux bis zur Postmoderne – immer so faszinierend ausmachte? Der Blick in eine Welt, die sich mathematisch berechnen und sinnlich erfahren, nicht aber physikalisch nachweisen lässt ...

Insofern ist das Internet selbst schon längst zu einem „Gesamt-Kunstwerk“ (durchaus im Wagnerischen Sinne) geworden.

Und nun kommt’s: Wenn sich das Internet nun nicht nur zum Gesamtkunstwerk, sondern auch zum interaktiven „Universalmedium“ entwickelt (was sich nachweisen lässt, aber das ist ein anderes Thema), dann eröffnet es uns nicht nur eine ganz und gar künstlerisch definierte Welt.

Indem täglich mehr Menschen das Internet nutzen, ohne dass irgendjemand bislang herausgefunden hätte, wie sich damit wirklich Geld verdienen ließe – im Gegenteil: im Verlauf der aktuellen Wirtschaftskrise wurden gerade in der Internet-Branche Milliardenwerte an Kapital „vernichtet“, was nicht weiter verwundern sollte, stand doch am Anfang dieses Netzes kein Business-Modell, sondern der einfache Wunsch nach Austausch und Dialog – indem das Internet also zu einem Universalmedium ohne Business-Modell wird, wird auch das ganze (kommerzielle) Design im Netz wieder zur (brotlosen) Kunst!

Was das theoretisch wie praktisch bedeutet ist bislang keineswegs ausgemacht, gar theoretisch gefasst – wir können es aber nun mit einander diskutieren ...

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