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Von ossiu am 14.01.05

Freier Zugang zur Information im Breitband-Netz?

Vortrag beim "Münchner Kreis", im November 2003

Zu der mir als Thema gestellten Eingangsfrage, fiel mir spontan erst einmal die Gegenfrage ein: War der Zugang zu Informationen im Internet, seit den Anfängen des Arpa-Net, jemals frei? Kostenlos war er jedenfalls nicht. Ob der Nutzer diese Kosten selbst zu tragen hatte, wie beim Zugang über eine Telefonleitung ist eine andere Frage. Und unbehindert war er erst recht nicht, wie die Blauen Schleifen der „Free Speech Online“ Bewegung auf zahlreichen Websites Ende der 9oer Jahre belegen.

„Information wants to be free“ – war ein ebenso eingängiger wie populärerer Slogan; kaum ein anderer hat aber so viele Missverständnisse hervorgerufen wie dieser 10 Jahre alte Hacker-Spruch in Sachen Internet. Gemeint war damit immer der ungehinderte, nicht aber der kostenlose Zugang zu Informationen.

Und auch die Internet-Nutzer sehen das heute so, wie alle aktuellen Erhebungen (GfK, W3B, @Facts) belegen: 50% der Internet-Nutzer sind grundsätzlich bereit, für Inhalte und Services im Internet auch etwas zu zahlen. Und diese Bereitschaft erstreckt sich auf Unterhaltungsangebote genau so wie auf Geschäfts- und Finanzinformationen. Vorausgesetzt Gleiches oder Ähnliches ist nicht offensichtlich kostenlos erhältlich, etwa aktuelle Nachrichten. Gleichzeitig sehen die sog. „Paid-Content“-Anbieter in den Breitband- und Mobilfunk-Netzen die Chance, den „Geburtsfehler“ ihrer Internetstrategien, nämlich Inhalte kostenlos anzubieten, zu revidieren, indem alle Inhalte von Anfang an kostenpflichtig gestaltet werden.

Die Frage ist also, wofür sind die Nutzer bereit zu zahlen. Der breitbandige Zugang zu div. Inhalten allein, reicht als Zahlungsmotivation sicher nicht aus.

Das wesentliche Differenzierungsmerkmal ist in diesem Zusammenhang eindeutig die Qualität des Produktes und der damit verbundenen Services. Das reicht vom Umfang des Angebots, über die inhaltliche und technische Qualität bis zum mühelosen Bezahlen: 50% aller Online-Einkäufe in Deutschland werden während des „Checkouts“ abgebrochen. Stellen Sie sich das in einem Supermarkt vor: Jeder 2. Kunde bricht vor der Kasse seinen Einkauf ab: der Laden wäre sicher nicht lange überlebensfähig. Die Zahlung muss also im Internet „en passant“, am besten mit einem Mausklick zu erledigen sein.

Wie wichtig, ja entscheidend das passende Angebot und ein funktionierender Service ist, zeigt m. E. der überraschende Erfolg von Apples „iTunes Music-Store“ im Web: 14 Millionen Downloads zum Stückpreis von $ 0,99 im ersten Geschäftsquartal, obwohl Apples Mac-Rechner nur einen Anteil von ca. 3% am gesamten PC-Markt haben, sind ein eindrucksvolles Ergebnis, das alle Erwartungen übertraf.

Apples iTunes Kunden zahlen, trotz Kaazaa und Gnutella, eben, für bessere Klang-Qualität, kürzere Downloads und nicht zuletzt, weil sie hier sicher sein können, dass die Datei auch enthält, was sie bestellt haben. Tim O’Rilley sieht darin ein Vorbild für das Geschäftsmodell jeder zukünftigen Software: „Net-Centric“ bedeutet, dass eine Software ihre Funktionalität und damit auch ihren Wert erst durch die Vernetzung erhält, die damit wiederum zum wesentlichen Element der Wertschöpfung wird, wesentlicher als der Preis der Software selbst. Darüber hinaus belegt Apples Erfolg auch, dass es den Nutzern im Allgemeinen nicht um das „Aushebeln“ des Urheberrechts im Musikmarkt geht – in einer digitalen Umgebung von „Copyright“ zu reden, verbietet sich von selbst, da es dort eben keine vom Original unterscheidbare Kopie, sondern allenfalls „Klone“ gibt, sondern um etwas, das man in den USA als „Fair Use“ bezeichnet – um eine nicht-restriktive Nutzung der gekauften Musik mithin: so lassen sich die im iTunes-Store gekauften Stücke auf andere PCs und mobile MP3-Player kopieren und sogar auf Musik-CDs brennen.

Die Zahlungsbereitschaft der Nutzer, so steht zu erwarten, verringert sich mit dem breitbandigen Zugang zu solchen Angeboten also auch nicht. Sie nimmt eher noch zu, weil das Medium „Web“ mit der Breitbandigkeit sein Gesicht grundsätzlich verändert. Die alte „Seiten-Metapher des Webs wird durch eine neue „Channel“-Metapher des Breitband-Internets abgelöst, dessen Inhalte als Stream, Download oder als Thema einer Multi-User-Plattform (Spiele, Flirts etc.) angeboten werden. Die Inhalte erscheinen dem Nutzer dynamisch, also auch flüchtig. Wer sie nutzen will, will und kann auch nicht lang überlegen. Impulskäufe werden ein wichtiger Faktor sein: sie müssen besonders einfach und schnell, aber auch transparent für den Kunden funktionieren.

Und das wird sich wiederum auf die Chancen der unterschiedlichen Abrechnungs- und Pricing-Modelle auswirken:

- Download – wird zum „Königsweg“ für alle hochwertigen Inhalte, die ich „besitzen“ möchte
- Pay per Use – wird bei Spielen, evtl. auch Filmen und z. B. bei Spezial-Software Chancen haben
- Pay per Time – wird bei Events und allen „Streams“ eine Rolle spielen
- Abonnements, von den Anbietern allgemein präferiert, sehe ich als höchst problematisch, da sie weder Impulsverhalten, noch Transparenz und Kostenbewusstsein bedienen. Gerade im Internet wollen die Nutzer wissen, wofür sie bezahlen, umso genauer je flüchtiger die Inhalte sich darstellen. Das belegen alle Erfahrungen mit abonnementsbasierten Diensten zum Musik-Download.


Welche Abrechnungsmodelle und v. a. welche Inhalts-Angebote sich erfolgreich durchsetzen werden, wird der Markt entscheiden. Wesentliche Indikatoren belegen heute schon die Richtung dieser Entscheidung:

- Aktuelle Nachrichten werden schwer zu bepreisen bleiben, da sie überall frei verfügbar sind; erst spezielle Services, wie die Suche nach allen Inhalten zu einem nutzer-definerten Thema, kommen als Pay per Use in Frage
- Geschäfts-Infos sind ein Sonderfall, da sie in der Regel sich wiederholende Themen behandeln: Pay per Use oder sogar Abonnements von Markt- und Wettbewerbs-Informationen kommen in Frage
- Entertainment in Form von Musik und Videos lassen sich als Pay per Download oder Pay per Use (bei Streams) vermarkten
- Gambling/Erotik: die größten Chancen haben hier Pay per Use und/oder Pay per Time Modelle, vorausgesetzt sie lassen eine schnelle und einfache (Impulsverhalten!) und anonymisierbare Zahlung zu, etwa über ein am Markt bekanntes und verbreitetes, seriöses Online-Zahlungs-System
- Multi-User-Interaktion: ein klarer Fall: Pay per Time.

Die Erfolgsaussichten der unterschiedlichen, in diesem Zusammenhang in Frage kommenden Payment-Verfahren hängen nicht nur von der Höhe der eigentlichen Transaktion, sondern entscheidend auch von der erwähnten „Flüchtigkeit“ des Angebots ab, also der Möglichkeit, etwas „Nebenbei“ zu bezahlen.

Am elegantesten lässt sich dies durch die Verknüpfung der Transaktion mit einer Regelrechnung, etwa der TK-Rechnung eines Haushaltes lösen: ein Mausklick genügt hier wirklich.

Online-Zahlung bietet den gleichen Vorteil, wenn das System eine „kritische Masse“ erreicht, in genügend Shops auf genügend Plattformen sichtbar akzeptiert wird: Beispiele wie Firstgate und T-Pay zeigen einen gangbaren Weg.

Beide Systeme haben aus der Kundensicht den zusätzlichen Vorteil, dass sie die Anonymität des Kunden gegenüber dem Verkäufer und Dritten bewahren. Außerdem erfolgt die Transaktion selbst nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Online-Kauf: Kundendaten und Zahlung sind also sicher und bleiben geschützt.

Die Kreditkarte ist nicht nur wg. der typischen Transaktionshöhe bei Paid Content Angeboten (kleiner
€ 10,-) problematisch, sondern auch weil dieses Zahlungsmittel in Deutschland weniger verbreitet ist als die Internet-Nutzung. Anonymität und Sicherheit der Zahlung bleiben zumindest zweifelhaft, insbesondere wenn der Kunde den Verkäufer nicht kennt.

Unabhängig davon wird es gesellschaftspolitisch darauf ankommen, das Verfassungsprinzip der „informationellen Selbstbestimmung“ auch im Internet durchzusetzen. Und zwar durchaus im Zusammenhang und in Abwägung mit den Urheberrechten einerseits und einem noch zu definierenden Recht der Nutzer auf „Fair Use“ andererseits.

Eine dem entsprechende „Informations-Grundversorgung“ könnte nicht nur nach dem Vorbild des öffentlich-rechtlichen Rundfunks geregelt und sichergestellt werden, es wäre auch eine lohnende Aufgabe für ARD und ZDF: Und eine sinnvollere Verwendung der Rundfunk-Gebühren als digitale TV-Experimente á la „Eins MuXX“ und „Theaterkanal“, die weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Ganz nebenbei würde dies dem eingangs zitierten Hacker-Slogan eine völlig neue Bedeutung verleihen: Information wants to be free (and public)!

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