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Von ossiu am 15.01.05

Aktuelle Trends im E-Business

Vortrag bei Cisco Systems, Düsseldorf, im Dezember 2003

Als vor etwas mehr als 8 Jahren die Kommerzialisierung des World Wide Web Wirklichkeit wurde, da träumte man von einer gesegneten Zukunft im Zeichen des E-Commerce. Kaum 5 Jahre sind vergangen, seit auch Boris Becker endlich „drin“ war – und mit ihm schien die ganze Spaß-Gesellschaft der 90er Jahre auf dem Weg ins Internet-Zeitalter.

Als der Traum zum Goldrausch wurde, sollten gleich alle Bereiche der Wirtschaft ins Internet verlagert werden – E-Business hieß das neue Zauberwort. Doch als man begriff, wie schwierig die Realisierung der hübschen Idee werden würde, da geriet der Traum zum Alptraum. Auf Euphorie folgte Depression.

Die Börse sackte ins scheinbar Bodenlose, das Geschäft mit dem Internet schien beendet, bevor es richtig begonnen hatte. Aus eben noch hippen Start-Ups wurden peinliche Pleitiers. „B2C“ übersetzte man höhnisch mit „Back To Cincinatti“ – mit dem Internet, so der neue, mediale Common Sense, lasse sich einfach kein Geld verdienen.

Doch ob nun das zarte Pflänzchen des viel besungenen Aufschwungs wirklich zu sprießen beginnt, oder einmal mehr auf sich warten lässt – eines ist im Wechselbad der Gefühle bereits klar: Das Internet ist längst zu einem unverzichtbaren Bestandteil wirtschaftlichen Handelns in allen Bereichen geworden. Das Zeitalter des E-Business hat begonnen.

Nur ist der Übergang vom Industrie- zum Informationszeitalter nicht so einfach und reibungslos zu bewerkstelligen wie wir alle, sicher ein wenig naiv, dachten. Gilt es doch, nicht nur den Umgang mit einem neuen Medium zu erlernen - schon das allein ist schwer genug. Es geht um nicht weniger als ganz neue Formen der Arbeit und des Wirtschaftens zu erlernen – um einen fundamentalen Relaunch des ganzen Unternehmens mithin.

Wir müssen alle noch lernen, wie das Internet zu nutzen ist, um unsere Kunden besser kennen und verstehen zu lernen. Und wir müssen gleichzeitig lernen, das Internet zum Management eines ganzen Unternehmens zu nutzen. Aber wir müssen auch lernen, dass mit dem Internet allein noch nichts gewonnen ist: erst wenn auch effektive Fullfillment- und Logistik-Prozesse, einfache und sichere Billing- und Payment-Verfahren, sowie ein für den Kunden unmittelbar spürbares Mehr an Service im vernetzten Unternehmen implementiert sind, kann E-Business funktionieren.

Es kommt also nicht nur darauf an, vernetzte Strukturen und Abläufe aufzubauen; digitale und analoge Elemente, virtuelle und höchst reale Welten müssen in einem E-Business-Unternehmen reibungslos mit einander harmonieren und funktionieren. Ein langer und beschwerlicher Weg. Aber eben auch ein lohnender und durchaus profitabler Lernprozess.

Das Ziel dieses Lernprozesses hat Tim Berners-Lee, der Vater des World Wide Web, das am 30. 04. 10 Jahre alt wurde und dessen Original-Vorschlag zu einem World Wide „Mesh“ Sie auf der Folie sehen, in seinem Buch „Weaving the Web“ auf den Begriff gebracht:

"The Web brings the working of society closer to the working of our minds."
Tim Berners-Lee


In einer vernetzten Gesellschaft und Wirtschaft müssen wir also lernen, so zu funktionieren wie unser eigener Geist. Das hört sich einfach an, ist aber von den philosophischen wie von den wirtschaftlichen Implikationen ausgesprochen schwer zu realisieren. Bevor wir uns dieser Zukunftsaufgabe widmen, scheint es angebracht einen Moment bei der Gegenwart des Internet zu verweilen, denn die sieht, jenseits aktueller Depressionen, an den Börsen wie in den Köpfen, gar nicht so übel aus. Gerade einmal 10 Jahre nach der Öffnung des WWW haben

- Über 660 Millionen Menschen Zugang zum Internet, 35 Millionen davon allein in Deutschland (laut NUA und GfK) – ca. 50% aller Erwachsenen ...
- Über 45 Millionen WWW-Domains weltweit und ca. 6,9 Millionen .DE-Domains gibt es heute
- Die schier unvorstellbare, wenn auch mit Vorsicht zu genießende Zahl von 5 Milliarden Web-Seiten ist online und
- Für das laufende Jahr erwartet der HDE einen E-Commerce-Umsatz in D von € 11 Milliarden; im nächsten Jahr sollen es schon € 13 Milliarden sein – eine Steigerungsrate von über 18% mitten in der schwersten Konjunktur-Krise seit Jahrzehnten!

Und damit ist das Internet nicht nur das am schnellsten gewachsene Medium aller Zeiten, es ist zu einem nicht mehr wegzudenkenden und unverzichtbaren Bestandteil unsers alltäglichen Lebens, unserer Arbeit wie unserer Freizeit geworden.

Was bedeutet es denn eigentlich, wenn aktuell 20 Millionen Menschen allein in Deutschland im Web einkaufen und ihre Bankgeschäfte erledigen? Einen Strukturwandel unseres Einkaufsverhaltens und unseres Wirtschaftslebens, sicherlich – auch wenn der in der aktuellen politischen Debatte noch keine Beachtung gefunden hat. Ein sträflicher Fehler, übrigens. Es bedeutet aber auch und darüber hinaus, dass sich unsere ganze Art zu leben und zu lernen, zu arbeiten und Geschäfte zu machen gerade fundamental verändert – und das hat deutlich weniger als 10 Jahre gebraucht.

Vor allem bedeutet es, dass wir diese neue Lebensweise unter den Bedingungen der Vernetzung, die wir bislang allenfalls miterlebt haben, erst einmal verstehen müssen. Wir müssen begreifen, was uns da in den letzten Jahren überrollt hat. Wir und das Web müssen mit einander erwachsen werden.

Dieser fundamentale, durch das Internet und seine Nutzer herbeigeführte Strukturwandel, macht auch und gerade vor den Unternehmen nicht Halt. Sie müssen sich den Wünschen ihrer Kunden öffnen. Mit anderen Worten: sie müssen sich mit Kunden, Partnern und Mitarbeitern vernetzen – in einem bisher nicht vorstellbaren Maß.

Wir müssen also lernen, was es bedeutet, dass nicht nur die Information, sondern auch die zu ihrer Verarbeitung notwendige Intelligenz heute nicht mehr in einem einzelnen Kopf oder einem einzigen Rechner existiert, sondern in der Kapazität des Netzwerks liegt. Wir müssen dringend lernen, was es bedeutet, dass der Wettbewerbsvorteil eines Unternehmens oder gar einer ganzen Branche nicht mehr so sehr in der Ingenieurskunst oder der Verarbeitungsqualität, sondern auch in der Kapazität liegt, die durch die Vernetzung gewonnenen Vorteile wirtschaftlich zu nutzen.

Mit anderen Worten: Wir befinden uns mitten im Wandel vom Industrie- zum Informationszeitalter.

So schön das klingt, so problematisch kann diese Anforderung in der Praxis sein. Wir alle müssen doch erst einmal lernen, das eigene Unternehmen dynamisch auf die ebenso dynamischen Stimuli des Marktes, der Kunden und der Mitarbeiter reagieren zu lassen.

Das gilt auch und gerade für den Mittelstand. Und wer sollte den Unternehmen diesen fundamentalen Wandel der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nahe bringen, wenn nicht wir: Berater und Dienstleister? „Wir haben verstanden“ darf hier kein hohler Werbe-Slogan bleiben, sondern muss zur erlebten Realität Ihres Kunden werden.

Und das ist nur der Anfang: So ist z. B. heute schon die Entwicklung eines neuen Automodells ganz und gar von der Vernetzung geprägt; von der CAD-Software bis zur weltweiten Vernetzung von Entwicklerteams und Produktionsplanung. Auch im Auto selbst arbeiten Dutzende so genannter „Embedded Chips“ und Kleinstcomputer. Der Kabelstrang zu ihrer Vernetzung ist das wichtigste Bauteil eines heutigen Mercedes, das vernetzte Telematik- und Systemmanagement ein wesentlicher Marketingfaktor für den 7er BMW und die Formel1 ist so zu sagen das schnellste Netzwerk der Welt. Ähnliche Beispiele werden sich auch in Ihrem Bereich – Financial Services – finden.

Voraussetzung all dieser Entwicklungen war nicht so sehr die Möglichkeit der Daten- Verarbeitung – die gibt es ja schon länger – sondern die Möglichkeit Daten weltweit mit einander zu vernetzen und auszutauschen. Das Internet.

Und das, so denke ich, ist auch in Ihren Branchen nicht anders. Wachstum ist z. Z. nur in Geschäften, die über das Internet abgewickelt werden denkbar – die aktuellen Zuwachsraten im E-Commerce belegen das eindrucksvoll. Ihre Kunden erwarten diesen Service von Ihnen. Und Sie müssen lernen, diesen Wunsch zu erfüllen – indem Sie sich möglichst effektiv, umfassend und sicher mit Ihren Kunden vernetzen.

Die Systeme, die Sie dazu einsetzen, sind von entscheidender Bedeutung: sie müssen effektiver und sicherer sein als die Ihres Wettbewerbers. Und dieser Effekt wird umso größer, je mehr Entwickler Sie an diesem Projekt beteiligen. Das Ergebnis: kürzere „Time To Market“ und eine bessere Lösung. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass Sie diese Beteiligung überhaupt ermöglichen. Z. B. indem Sie den Quellcode der Lösung freigeben. „Open Source“ heißt das bekannte und erfolgreiche Verfahren in der Software-Entwicklung. Damit kann potentiell jeder Entwickler im Netz seinen Beitrag zu Ihrer Entwicklung leisten – nicht nur Ihre Mitarbeiter, deren Zahl grundsätzlich endlich ist.

Sie merken: Da hat sich etwas fundamental gewandelt. Ging es früher noch darum, das, was Wettbewerbs-Vorteile versprach, zu schützen, ja im besten Fall geheim zu halten – unser ganzes technisches Patent-System beruht darauf! - , so geht es nun darum, diesen Vorteil möglichst bekannt und zugänglich zu machen. Nur damit lässt sich der so genannte „Netzwerk-Effekt“ produzieren und ausnutzen! Ich werde darauf noch zurückkommen.

Grundsätzlich geht es aber darum, vernetztes Denken und vernetztes Arbeiten zu erlernen, übrigens in allen Lebensbereichen, nicht nur in der Wirtschaft – dort allerdings ganz offensichtlich und vordringlich.

Wir müssen also begreifen, welche Konsequenzen vernetzte Arbeitsweisen – Stichwort „Tele-Arbeit“ für die Unternehmenskultur und –organisation haben. So müssen neue, virtuelle Gemeinschaften die traditionellen Bürogemeinschaften ergänzen – Mitarbeiter- und Kunden-Communities müssen in „Projekt- und Unternehmens-Netzen“ etabliert werden. Vernetzte Teams müssen tiefe Hierarchien ersetzen. Offene Regeln und definierte Prozesse treten an die Stelle von Patent- und Copy-Rights. Herrschaftswissen lohnt nicht mehr, es führt ins wirtschaftliche Abseits. Kein Bereich in der Organisation wie im Management bleibt von dieser Entwicklung ausgeschlossen.

Warum aber wird ausgerechnet das Internet Protokoll IP zur gemeinsamen Basis ansonsten unterschiedlicher Kommunikationsprozesse Dienstleistungen und Geschäftsmodelle?

Das ganze Geheimnis dieser einmaligen Erfolgsstory ist eine ebenso einfache wie geniale Idee. Statt wie alle anderen Telekommunikations-Systeme die Endgeräte der jeweiligen Teilnehmer zu verbinden, also zu einem temporären Netz zusammenzuschalten, werden in einem IP-Netzwerk nur die eigentlichen Kommunikationsinhalte in Daten-"Paketen" geroutet, also zu einem anderen Endgerät geleitet. Das schont nicht nur Netzwerk-Resourcen, und macht die Kommunikation hocheffizient, es ermöglicht auch ganz unterschiedliche Daten über die gleichen Netze zu vermitteln. So können IP-Pakete alles Mögliche enthalten: eine Mail oder ein Video, ein Telefongespräch oder Geschäftsdaten, kurz: alles, was sich digital darstellen lässt.

Damit bietet schon die Infrastruktur des Unternehmens-Netzes ein erhebliches Potential zur Kostenreduktion. Warum brauchen Sie neben dem Daten- auch noch ein Telefonnetz nebst kostspieliger Anlage? IP-Telefonie heißt die für immer mehr Unternehmen immer interessanter werdende Lösung. „Konvergenten Netze“ auf der Basis der Internet-Architektur bieten aber deutlich mehr als nur „Spar-Potential“ : Sie bieten v. a. die Möglichkeit ganz unterschiedliche Applikationen immer dann zur Verfügung zu stellen, wenn der Bedarf danach besteht. Ob es um Telefonie- oder Storage-Lösungen geht, um CRM oder um Rechner-Kapazitäten – „Aplications On Demand“, so zu sagen.

Grundlage und Voraussetzung um solche Möglichkeiten auch erfolgreich nutzen zu können, ist die Offenheit der Internet-Architektur. Jeder kann auf der Basis verbindlich definierter und frei zugänglicher Regeln, der Internet-Standards und Protokolle, eigene Anwendungen und Angebote entwickeln.

So wie Tim Berners-Lee es mit dem WWW tat: Er nutzte die bekannte Hypercard-Technologie um ein Dokument mit einem anderen durch einen „Link“, also einen Verweis, zu verbinden. Indem er dieses Konzept auf die in einem IP-Netzwerk verteilten Dokumente anwendete, schuf er eine ebenso einfache wie geniale Möglichkeit vernetzter und multimedialer Zusammenarbeit. Und löste damit die größte mediale Revolution seit Gutenbergs Erfindung der Druckpresse aus.

Deswegen wachsen heute alle, früher einmal säuberlich getrennten Netze, vom Telefon- bis zum TV-Netz auf der Basis der Internet-Architektur zusammen. Und deswegen sind auch immer mehr Lebens- und Wirtschaftsbereiche davon fundamental betroffen: das Internet hält Einzug in alle Lebensbereiche. Zu Hause, unterwegs, am Arbeitsplatz und in der globalisierten Wirtschaft.

Das Internet hat sich also mitten in der aktuellen Konjunktur-Krise und schneller als jedes andere vor ihm zu einem veritablen Massenmedium entwickelt. Zu einem Massenmedium "neuen Typs" allerdings. Waren in allen bisherigen, "linearen" Massenmedien "Sender" und "Empfänger" prinzipiell, technisch wie ökonomisch, voneinander unterschieden, so gilt dieses Kommunikationsparadigma im Internet nicht mehr: In diesem "interaktiven" Massenmedium kann jeder Nutzer sowohl Sender wie auch Empfänger sein und so prinzipiell jederzeit mit jedem anderen Nutzer in Austausch treten. Und je reifer und entwickelter das Internet und seine Nutzer sind, denken Sie etwa an Weblogs, die P2P-Networks oder an die neuen „Web-Services“, desto mehr wird sich dieses Potential auch realisieren, desto mehr also wird das Internet zu einem interaktiven und personalisierten Massenmedium, werden.

Und da reicht die Zurschaustellung der eigenen Produkte in einem „Online-Katalog“ nicht mehr aus – so ist das Web auch nicht gedacht. Es geht um Austausch, um interaktive Dienste, um den Dienst am Kunden, um Nutzwert und sichere Services.

Indem etwa die an einem Thema interessierten Nutzer eines Peer-To-Peer-Netzes direkt miteinander in Austausch treten, wirkt ihre vernetzte Kommunikation wie das Zusammenspiel unterschiedlicher sensorischer Impulse, aus denen sich im menschlichen Bewusstsein ein Bild seiner Umgebung zusammensetzt. – Sie erinnern sich an die Worte von Berners-Lee: Die Vernetzung bringt die Menschen dazu, immer mehr so zu funktionieren wie ihr eigenes Gehirn, ihr eigener Geist.

Dem haben auch alle auf dieser Art der Vernetzung aufsetzenden Geschäftsmodelle Rechnung zu tragen: So mutet der Versuch Napster ein Abonnements-Modell nach dem Vorbild traditioneller Buch- und Schallplatten-Clubs überzustülpen, inzwischen geradezu vorsintflutlich an. Sehr viel moderner, weil interaktiver und personalisierter wirkt dagegen die Überlegung, die aktiven Verteiler der Inhalte als Multiplikatoren zu provisionieren, während die Bezieher für die Nutzung eine bestimmte Lizenzgebühr zahlen. Denken Sie an den mit phänomenalem Erfolg von Apple gestarteten „iTunes-Music-Store“ im Internet: Mehr als 15 Millionen Downloads bislang! Sie müssen also überlegen, wie Sie die Vorteile, die das Internet dem Nutzer bietet, für Ihr Geschäft nutzen können.

Auch jede Form "kommerzieller Kommunikation", also der Austausch zwischen Unternehmen, Kunden und Partnern, ist von dieser Veränderung betroffen. Im Internet geht es nicht mehr um "Zielgruppen" und "Marktsegmente" sowie deren "kleinsten gemeinsamen Nenner", sondern um Wünsche und Bedürfnisse jedes einzelnen Nutzers und damit potentiellen Kunden. Nicholas Negroponte, der Gründer des Media Lab am MIT, hat darauf schon vor Jahren visionär hingewiesen:

“Instead of advertisers soliciting response, they’ll have to respond to the solicitations of potential customers - Nicht mehr die Werber werden Reaktionen auslösen, sondern sie haben auf die Anforderungen potentieller Kunden zu reagieren.”

Nicht mehr das Marketing formuliert also die gewohnten "Messages". Im Gegenteil: Im Internet muss es auf Bedürfnisse und Interessen jedes einzelnen Kommunikationspartners adäquat reagieren.

Was Sie hier deutlich spüren, ist die „neue Macht“ des Kunden in einem von der Nachfrage geprägten Markt. Und der beschränkt sich nicht einmal auf das Web allein – wie beispielsweise die Reform der Rabattgesetze in Deutschland eindrucksvoll belegt.

Da die Kunden nicht mehr einsehen werden, warum sie auf die neue Freiheit und die ungewohnte Macht, die das Internet ihnen bietet, in anderen Lebensbereichen verzichten sollen, werden halbherzige "E-Business"-Strategien schon bald der Vergangenheit angehören. Einfach weil die Kunden inzwischen Besseres gewohnt sind. Und das suchen sie, wie die Zuwachsraten bestätigen, immer häufiger im Internet. Das Problem liegt also offenbar auf der Anbieterseite, auf Seiten der Unternehmen, die immer noch nicht verstanden haben, wie sie die Wünsche ihrer Kunden erfüllen sollen: Mehr als 50% aller Online-Einkäufe werden hierzulande vor dem Abschluss abgebrochen – eindrucksvoller lässt sich die Unzufriedenheit der Kunden kaum belegen.

Hinweis: Cluetrain Manifesto: Unternehmen müssen lernen, mit menschlicher Sprache zu kommunizieren!

Allerdings wird das Internet damit mehr als nur ein neuer Vertriebskanal: es wird zur Plattform interner wie externer Unternehmensprozesse, zum mobilen Dienstleistungsinstrument für alle Lebensbereiche und schließlich auch zum Forum individueller Bildungs- und Unterhaltungsangebote, dessen Inhalte entweder zum Download vorgehalten oder in Echtzeit "gestreamt" werden. Die "Seiten-Metapher des Web wird mehr und mehr durch eine neue "Channel"-Metapher des Breitband-Internet abgelöst.

Auf der anderen, der Anbieter-Seite, werden die neuen, XML-basierten „Web-Services“ nicht nur der Vernetzung der Unternehmen mit Partnern und Kunden eine neue Qualität verleihen, sie bedeuten auch einen Quantensprung für die weitere Entwicklung des E-Business insgesamt – das Unternehmen selbst wird dabei von der „Zitadelle“ der Vergangenheit zum offenen „Bazar“ der vernetzten Gegenwart. Ein Umbau, der in vielen Unternehmen neben den technischen vor allem kulturelle Probleme hervorruft, und zwar vor allem bei denen, die ihn eigentlich managen sollten: beim Management bzw. im Mittelstand bei der Geschäftsleitung.

Nur wenn dieser Umbau gelingt, wird das Internet auch sein Potential realisieren, zum neuen Universalmedium für alle Kommunikationsanforderungen der Informationsgesellschaft zu werden. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass das Internet seine heute noch bestehenden Grenzen überwindet, indem es

- Ubiquitär verfügbar,
- jederzeit skalierbar,
- einfach zu nutzen sein wird.

Wenn das Internet also wirklich zum "Universalmedium" des Informationszeitalters werden soll, muß es in jedem Fall "ubiquitär", d. h. überall verfügbar und entsprechend der jeweilig spezifischen Aufgabenstellung nutzbar sein. Die für diese Anforderung notwendige Bandbreite ist heute ebenso verfügbar wie grundsätzlich bezahlbar geworden. Das Problem liegt in der Dynamik der Nutzung bzw. entsprechend dynamischen Abrechnungsmodellen.

Warum soll ich für den Internetzugang mit dem ich lediglich eine Mail verschicken möchte, prinzipiell das Gleiche zahlen, wie für eine bandbreitenintensive Video-Konferenz, bzw. ein Telefonat, das ein bestimmtes Service-Level verlangt? Solange die Verbindung zwischen zwei Internet-Rechnern weitgehend statisch definiert ist, lässt sich dieses Dilemma kaum überwinden. Eine Lösung ist erst durch dynamische Netzwerk- und ebenso dynamische Pricing-Modelle zu erwarten. Davon sind wir heute noch ein gutes Stück entfernt, auch wenn IPv6 am Horizont grüßt. Dennoch: Jeder Netzzugang kann heute schon zu meinem persönlichen Arbeitsplatz werden. Vorausgesetzt er ist skalierbar, und bietet auch eine meinen Anforderungen entsprechende Sicherheit.

Indem das Internet an unterschiedlichen Geräten, in ebenso unterschiedlichen Zusammenhängen genutzt werden kann, ergibt sich auch die Möglichkeit zu neuen Nutzungsarten: Ob es um Unterhaltung und Kommunikation oder um Einkäufe und Spiele geht.

Wir beobachten also eine Ausdifferenzierung der Internet-Nutzung, eine nie geahnte Vielfalt von Geräten, Angeboten und Diensten auf der Grundlage von Internet-Technologien – denken Sie etwa an den Mobilfunk der nächsten Generation: UMTS oder die im Zeichen von W-LAN mögliche, einfache Vernetzung eines Haushaltes oder der ganzen Nachbarschaft. Der Trend heißt also: Technische Konvergenz bei inhaltlicher Differenzierung!

Und damit werden sich nicht nur die unterschiedlichen Nutzungsarten, sondern auch die zur Nutzung eingesetzten Endgeräte noch weiter voneinander entfernen. Der Erfolg solcher „single purpose devices“ ist leicht zu erklären: Je genauer ein Gerät einen ganz bestimmten Zweck erfüllt, desto weniger muß beim Umgang mit diesem Gerät erlernt werden.

Die Nutzung eines einzigen, ursprünglich nicht einmal für die Vernetzung konzipierten Gerätes, des PC, wird damit für immer mehr Menschen immer öfter obsolet.

Indem mit dieser Entwicklung die Universalität des PC durch die Universalität des Internet ersetzt wird, wird die "Internettauglichkeit" zur notwendigen Bedingung des Erfolgs jedes einzelnen Gerätes und jeder einzelnen Anwendung, ja, jedes Unternehmens am Markt.

Je mehr das Internet aber damit für die Unternehmen zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor der Informationsgesellschaft wird, desto mehr wird es selbst hinter den über die IP-Netze vermittelten Anwendungen "verschwinden": Das Internet wird zur Selbstverständlichkeit – seine Komplexität von den Nutzern entkoppelt. So wie heute das Stromnetz: jeder nutzt es, ohne sich Gedanken darüber zu machen.

Und das ist keine Zukunftsmusik: IBM spricht vom Internet als der neuen „Utility“, einer Grundversorgung wie Strom oder Wasser. Da ist es nur folgerichtig, nach dem Vorbild des Strom-Netzes („Power-Grid“) nun auch die Leistung vernetzter Rechner immer dann zur Verfügung zu stellen, wenn der entsprechende Bedarf besteht: „Grid-Computing“. Umsatzrelevante Vorteile werden zukünftig nur noch durch solche besonderen Service- und Qualitätsmerkmale zu erzielen sein. Und dieser Trend – Service als USP – wird schon bald für jedes im Internet handelnde Unternehmen Gültigkeit haben.

Das ist die Herausforderung. Und die ist nicht gerade klein. Ihr gegenüber steht allerdings eine ebenso große Chance: Kein anderes Medium bietet bessere Möglichkeiten einen optimalen, ganz auf den einzelnen Kunden abgestimmten Service zu bieten, als dieses – Sie erinnern sich – interaktive und personalisierte Massenmedium neuen Typs.

Das Zauberwort in diesem Zusammenhang heisst: One To One Marketing. Wenn es auf Grund des geltenden Kommunikationsparadigmas keinen Sinn macht, allgemeine, und daher notwendig banale Werbebotschaften auszusenden, dann kann ich meinen Kommunikationspartner auch direkt fragen, welche Interessen, Bedürfnisse und Neigungen ihn bewegen und genau feststellen, welche passenden Angebote ich in diesem Zusammenhang formulieren kann. Und damit haben wir en passant den Grundstein zu einer Gemeinschaft gelegt: zu einer virtuellen Interessengemeinschaft, oder Community Of Interest. Und das gilt für private genauso wie für geschäftliche Interessen.

Und nirgendwo gibt es mehr solcher Gemeinschaften als im Internet, wo ihre Entstehung weder durch zeitliche noch geographische Grenzen behindert wird. Kaum ein Thema bleibt unbehandelt, kaum ein Interessensgebiet, um das sich noch keine Gemeinschaft versammelt hätte: Ob es um Mode oder um Spiele, um Software-Entwicklung oder digitale Branchenmarktplätze geht.

In jedem Fall geht es um die Realisierung kommunikativer Zusammenhänge, in deren Mittelpunkt immer der einzelne, individuelle Kommunikationspartner mit seinen persönlichen Interessen steht. Die Persönlichkeit des Nutzers, seine Art zu denken, Interessen und Gefühle zu vermitteln, steht also im Mittelpunkt personalisierter Kommunikation. Auch deshalb muss die Wirtschaft in der vernetzten Gesellschaft, ganz im Sinne von Berners-Lee lernen, mehr und mehr den Prinzipien des menschlichen Geistes zu folgen.

Wer das verstanden hat und diesen Interessen eine Plattform bietet, wer sie mit eigenen Informationen und Inhalten ebenso bereichert wie mit neuen Sichtweisen und Dienstleistungen, dem ist kommunikativer und kommerzieller Erfolg so gut wie sicher.

Und diese Übereinstimmung des Kommunikationsangebots mit dem Interesse jedes Kommunikationsteilnehmers – das sog. „Match-Making“ - ist der wesentliche Erfolgsfaktor jeder Strategie im Internet, nicht nur im Marketing.

Je genauer beide Elemente, Angebot und Interesse, übereinstimmen, desto ergiebiger wird der Kommunikationsprozeß sich für die Teilnehmer darstellen.

Im Zuge dieser Entwicklung werden sich auch die Grenzen heute angeblich noch streng voneinander getrennter Marktsegmente auflösen. „B2B“ + „B2C“ sind kein Widerspruch mehr: bei beiden geht es um die Persönlichkeit des Kommunikations- bzw. Geschäftspartners: und die bleibt die gleiche, ob er das Internet im Unternehmen oder zu Hause, für private oder geschäftliche Interessen nutzt. Deshalb werden nur die Unternehmen in der Internet-Wirtschaft erfolgreich sein, die vielfältig, ebenso multimedial wie multidimensional mit ihren Kunden vernetzt sind, die ihren Kunden also wirklich genau das bieten, was sie erwarten. Der Kunde ist im Internet wieder König – ob es sich um eine Privatperson oder ein Unternehmen handelt.

Wir beobachten also eine Ausdifferenzierung der Nutzung bei einer gleichzeitigen Konvergenz der Märkte und der Technologien auf der Grundlage der Internet-Architektur.
Und damit wird das Internet tatsächlich zum "Hyper-Medium" des Informationszeitalters, zu einem Medium also, das alle Funktionen der ursprünglich getrennten Medien Web, Fernsehen und Telefon in sich vereinigt und durch diese Kombination weit über deren Möglichkeiten hinausgeht.

Das ist ein sich selbst verstärkender Prozeß – ein "Feed-Back-Loop, wie die Kybernetiker sagen würden. Und der führt uns auf direktem Wege in die "vernetzte Wirtschaft", in die "Network Economy" des Informationszeitalters, deren Grundlagen Robert Metcalfe, der Erfinder des Ethernet und Gründer von 3COM, beschrieben hat.

Sein ökonomisches "Gesetz" beschreibt den wachsenden Wert, und den damit wachsenden Gewinn einer Investition in vernetzte Umgebungen:

Der Wert eines Netzes steigt quadratisch im Verhältnis zu Größe des Netzwerks.

Je mehr Nutzer ein Netzwerk also zählt, desto wertvoller wird der Zugang zu diesem Netz. Und je mehr vernetzte Einheiten dadurch in diesem Netzwerk verbunden sind, desto höher ist der Wert jeder einzelnen vernetzten Einheit.

Da es sich dabei also nicht um lineare Beziehungen, sondern um ein multidimensionales Netzwerk handelt, steigt auch der Wert des Netzes und der daran angeschlossenen Unternehmen exponentiell, zumindest also quadratisch – was Metcalfe beweisen wollte.

Grundlage der Bemessung ist also nicht mehr die klassische "Wertschöpfungskette", Produzent – Distributor – Händler - Endkunde, sondern etwas, daß ich als "Wertschöpfungsnetz" bezeichne: es handelt sich dabei um ein komplexes Geflecht, einem natürlichen Öko-System ähnlicher als einer von Menschen erdachten Struktur, in dem Hersteller und Lieferanten, Dienstleister und Kunden, wechselseitig, also auch in durchaus wechselnden Rollen und Funktionen, miteinander verbunden sind.

In einem solchen Wertschöpfungsnetz tritt auch der aus Metcalfes Theorie bekannte „Netzwerk-Effekt“ auf: mit jedem neuen Nutzer steigt nicht nur der Wert, sondern auch die Attraktivität des Netzwerks, was zusätzlich zum exponentiellen Wachstum beiträgt. Beispiele wie eBay oder Google belegen das eindrucksvoll: die Suchmaschine sortiert das „Ranking“ der gefundenen Websites nach der Anzahl der Links, die auf sie verweisen – und wurde damit zur attraktivsten Suchmaschine im Web und zum „heißesten IPO-Kandidaten“ seit Netscape. Das Auktionshaus eBay steigert mit jedem neuen Nutzer und Anbieter nicht nur die Attraktivität des virtuellen Flohmarkts, sondern auch den Wert des eigenen Unternehmens.

Die nächste Stufe der Entwicklung dieses Netzwerk-Effekts stellen nun die bereits erwähnten Web-Services dar – einfach weil sie dem bislang möglichen Austausch von Informationen und Waren nun den Austausch eindeutig identifizierbarer und personalisierbarer Daten, also auch digitaler Waren wie Software, Spiele und Videos, hinzufügen. Alle notwendigen Voraussetzungen dafür liefert XML. Die „Xtensible Markup Language“ beschreibt, anders als das bekannte HTML, nicht nur die Darstellung, sondern die ausgetauschten Daten selbst. Und zwar durch sog. Tag-Sets, die frei definierbar sind, aber einer ganz bestimmten Logik und einem darauf basierenden Schema folgen. Das macht sie für Maschinen wie für Menschen lesbar und austauschbar: die Daten erhalten so in gewisser Weise eine „Bedeutung“.

Das ist, wie die Philosophie es nennen würde, zwar eine notwendige, keineswegs aber die hinreichende Bedingung für die Vision eines zukünftigen, „bedeutungsvollen“ Webs. Dieses von Tim Berners-Lee so genannte „semantische“ Web, also die Verknüpfung von Daten mit ihrer Bedeutung durch den Kontext, in dem sie stehen, wird nur funktionieren, wenn es ein „magisches Dreieck“ aus Bedeutung, Vertrauen und Transaktion herstellen kann. Die „Magie“ des Dreiecks besteht darin, dass jede beliebige Verbindung von 2 Elementen das 3. herbeiführt: so führen Bedeutung und Vertrauen, etwa aus einer etablierten Community oder einer langjährigen Kundenbeziehung entstanden, zur Transaktion. Dieser Zusammenhang ist übrigens auch die Grundlage jeder direkten menschlichen Interaktion. Und damit wird das Web als semantisches Web endlich dort ankommen, wo wir es alle schon immer vermuteten: mitten in der menschlichen Wirklichkeit.

Das wird auch die wirtschaftliche Bedeutung der Vernetzung einmal mehr dramatisch vergrößern. Doch wie am Anfang des Web kein Business-Plan, sondern eine Vision vom produktiven Austausch der Nutzer stand, so ist auch die Vision vom semantischen Web allemal größer als die Umsätze, die damit zunächst zu erzielen sein werden.

Auf all das müssen sich die Unternehmen in allen Wirtschaftsbereichen erst noch einstellen, d. h. sie müssen lernen, neue Abläufe und Geschäftsmodelle zu initialisieren und zu managen. Funktionieren wird das nur, wenn wir alle lernen, die Digitale Ökonomie des Netzes zu verstehen und entsprechend zu handeln. Oder wie der Intel-CEO Craig Barret einmal sagte:
"The Internet Economy forces your business to function differently."

Für ein erfolgreiches E-Business brauchen Sie also mehrere, unterschiedliche Faktoren:
- ein vollständig – intern wie extern vernetztes Unternehmen
- Mitarbeiter, die diese Vernetzung nicht nur akzeptieren, sondern leben
- Ein neues Kundenbild durch die gesamte Organisation hindurch, denn der Kunde ist nicht nur König, er ist der Kern Ihres Netzwerkes – nicht etwa die Telekom oder Ihr Rechenzentrum. Denn je weiter Sie ihren Kunden von der Peripherie ins Zentrum holen, desto weniger wird er Ihr Netz wieder verlassen wollen – bauen Sie Ihr Netz also um Ihre Kunden herum!
- Etablieren Sie innovative Arbeitsformen in vernetzten Teams – nur sie können schnell und differenziert genug auf die Kunden-Anforderungen reagieren: E-Business On Demand fängt im eigenen Haus an!
- Und natürlich brauchen Sie alles, was erfolgreiche Unternehmen schon immer erfolgreich machte: ein attraktives Angebot, professionelles Fulfillment, eine zuverlässige Logistik, funktionierendes Billing und optimaler Service.

Das alles digital abzubilden und zu managen ist nicht leicht. Es in der digitalen Welt der Daten wie in der analogen Welt der Waren zu beherrschen, aber ist die eigentliche Herausforderung.

All diese Anforderungen kann kein Unternehmen allein erfüllen, schon gar nicht im Zeitalter der Network Economy. Chancen ergeben sich hier nur durch die bestmögliche Vernetzung mit möglichst vielen der besten an der Wertschöpfung beteiligten Unternehmen. Dabei muss aber jedes Unternehmen lernen, das Internet zu seinem eigenen wirtschaftlichen Vorteil zu nutzen. Und das geht in der vernetzten Wirtschaft nur, wenn der Kunde das als seinen eigenen Vorteil erkennt.

A propos „Kunde“: Bislang haben wir den Übergang von der Industrie zur Informations-Gesellschaft wesentlich von der Unternehmensseite aus betrachtet. Wie aber sieht dieser Wandel von der Seite und Perspektive des Kunden, des Privatmenschen, von „Otto-Normal-User“ aus? Ist er zwar „König“, aber ansonsten wie bisher Gegenstand und Zielscheibe wirtschaftlicher Entwicklungen und Unternehmens-Strategien?

Allein die Zuwachsraten im E-Commerce belegen eindrucksvoll, dass er die Möglichkeiten der Vernetzung jedenfalls schneller versteht und aktiver nutzt als die Unternehmen in Deutschland. Gleiches gilt ja auch für die Nutzung breitbandiger Zugänge zu Internet, ob mittels DSL- oder auch W-Lan-Technologie. Überhaupt wurden alle wesentlichen Innovationen der Netzwerk-Kommunkation, von den P2P-Netzen bis zu Weblogs, vom Online-Banking bis zum E-Learning von den privaten Nutzern schneller und aktiver betreiben als von den Unternehmen. Und zwar ganz und gar unabhängig von der zum jeweiligen Zeitpunkt aktuellen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und ebenso unabhängig davon, ob das wirtschaftliche Potential der „Network Economy“ je nach konjunktureller Stimmungslage gerade gefeiert oder verdammt wird, ohne allerdings sonderlich bedacht oder gar analysiert zu werden.

Gerade die „Profis“ begnügen sich mit Euphorie oder Depression in der Betrachtung der Lage, während die eigentliche Triebfeder des Trends, die ihm zu Grunde liegende technologische Entwicklung, kaum jemals eine entsprechende Würdigung erfährt. Und deshalb verläuft die aktuelle Entwicklung des Internets und der digitalen Medien, wenn auch schneller und dramatischer als ähnliche Entwicklungen in der Vergangenheit, so doch in der öffentlichen Wahrnehmung diesen durchaus ähnlich ab: Zunächst feiern „Early Adopter“ und andere Enthusiasten die neue Technik; damit wird sie zum Hype, der aber sofort wieder abflacht, wenn man bemerkt, dass er den Versprechungen, die mit ihm einhergingen, nicht genügen kann. Der damit entstehende Popularitäts-Knick überlagert die Faszination, die die Technologie einmal hatte, ebenso vollständig wie die massenhafte Verbreitung, die sie so zu sagen „im Verborgenen“ nach wie vor erlebt.

Vernetzung wird zur Selbstverständlichkeit und ebenso genutzt – und damit schließlich zu einem „Lifestyle-Phänomen“. Da Wirtschaft sich aber – wenn überhaupt – einem Lifestyle nur im Sinne seiner Verwertung widmen kann, während der Kunde als „Zeitgenosse“ ihn nicht etwa nur konsumiert, sondern (er-)lebt und bewusst oder unbewusst vorantreibt, hat sich eben dieser Kunde zum „Driver“ der Network Economy entwickelt:

Der nächste große wirtschaftliche Entwicklungsschritt in der medialen Kommunikation wird vom Endkunden und Konsumenten ausgehen und getrieben werden.

Die Wirtschaft hat sich – gerade im „High-Tech“- und im Telekommunikations-Sektor - nicht nur verausgabt (Erinnern Sie sich noch an die UMTS-Auktion?), sie hat sich schlicht übernommen, wie das Platzen der Börsen-Blase auf dem Höhepunkt des „Dotcom-Booms“ eindrucksvoll belegte. Darüber hinaus erlebt sie z. Z. einen Strukturwandel wie seit Jahrzehnten nicht mehr: die aktuelle Diskussion um Sozial-, Gesundheits- und Rentensysteme sind ein beredter Ausdruck davon. Die Wirtschaft hat, um es kurz zu machen, das Vertrauen in sich selbst verloren. Ihr fehlt die Vision, wie die gewaltigen Investitionen, die beim Übergang von der Industrie- zur Informationsgesellschaft dringend notwendig wären, jemals produktiv oder gar profitabel werden sollen. Deshalb schreckt sie davor zurück, will nicht schon wieder das nächste Debakel erleben. Deswegen verlangt sie nach angeblich „objektiven“ Rentabilitätsrechnungen, nach einem „hieb- und stichfesten“ Geschäftsmodell. Dabei ist das Kapital für diese Investitionen auf der Anlegerseite durchaus vorhanden. Was fehlt, ist das Vertrauen in die eigene Kraft, in die Machbarkeit eines wirtschaftlich tragfähigen Turnaround“. Der ganze „Wachstumssektor der Wirtschaft“ von der IT- über die Medien- bis zur Telekommunikations-Industrie (klingt das heute nicht schon wie ein Euphemismus?) verhält sich in dieser Situation wie ein angeschlagener Boxer im Ring: er folgt seinem „Flucht-Instinkt“

All das spielt für den Konsumenten keine (kauf-)entscheidende Rolle. Sicher wirft er, zumal in unsicheren Zeiten, nicht sein Geld um sich. Hat er sich aber erstmal an das Neue gewöhnt, sieht er, dass „es weitergeht“, dann will er auch wieder dies oder das besitzen, erledigen oder ausdrücken. Dabei spielt die Art der Lösung seiner Aufgabenstellung für ihn keine wesentliche Rolle – wirtschaftlich nicht, so lange er sich die Lösung leisten kann, und technisch nur dann, wenn die Faszination der Technologie auf ihn abzufärben verspricht: wie die „PS“ des Autos früher oder die Megahertz(en) des Laptops heute.

Nicht die Beschaffenheit einer Lösung, die in ihr enthaltene technische Eleganz und Ingenieurs-Kompetenz, sondern allein das Ergebnis zählt. Und das soll gefallen. Das war früher, unter den Bedingungen industriell gefertigter Serialität, allenfalls an der Oberfläche möglich. Die digitalen Produkte der Network Economy erlauben dagegen eine sehr viel weiter gehende Differenzierung, ja Individualisierung. In der digitalen Manufaktur der Zukunft werden Produkte „on demand“, also den Wünschen des Kunden entsprechend gefertigt und ausgeliefert. Denn bekommt er hier nicht, was er will, ist die Alternative bekanntlich immer nur „einen Mausklick entfernt“.

Der Trend, der sich in diesem Phänomen zeigt, geht weit über die darin erkennbare Partikularisierung der Wirtschaft und die Personalisierung der Produkte hinaus. Er verweist auf einen rasant zunehmenden Wunsch nach Selbstbestimmung, deren Kehrseite - eine ebenso dramatisch zunehmende Selbstverantwortung des Einzelnen - allerdings bislang noch kaum Beachtung findet. Was im gesellschaftlichen Diskurs noch nicht einmal thematisiert wird, findet auf der konvergenten technischen Plattform des Informationszeitalters bereits täglich statt: Interaktion und Personalisierung. Und damit wird der Kunde in der vernetzten Wirtschaft auf einmal wieder, was er angeblich schon so lange ist: ein „König“. Nur weiß er davon (noch) nichts. Doch über kurz oder lang wird er es merken und sich seiner Macht bewusst werden.

Doch auch dann wird dieser Kunde immer noch keine „Technologie“, keine „Medien“ oder ähnlich abstrakte Konstrukte kaufen. Er will Musik hören. Er will Filme sehen. Er will sich einfach gut unterhalten – durchaus auch im Sinne medialer Kommunikation. Vielleicht möchte er auch etwas Neues lernen oder seine Arbeit produktiver und befriedigender gestalten. Er wird das alles nicht so benennen, aber er wird es, zunehmend selbstbewusster und eindringlicher verlangen.

Und die Wirtschaft wird sich mit diesem neuen Kunden anfreunden müssen. Dabei muss sie zunächst einmal lernen, Kunden nicht juristisch zu bekämpfen, wie es die Musik-Industrie versucht(e), sondern die Wünsche ihres Kunden, d. h. auch seine Gewohnheiten, Denkweisen und Vorlieben, zu verstehen, um ihm auf dieser Basis entsprechende Angebote zu machen. Jedes einzelne Unternehmen muss also wirklich bereit und in der Lage sein zu lernen und seine Kunden zu verstehen, will es nicht das Schicksal der UMTS-Milliarden oder der Musik-CD teilen, nämlich sang- und klanglos von der Bühne zu verschwinden.

Ein langer und beschwerlicher Weg, an dessen Ende der Turnaround eines ganzen Wirtschaftszweiges und seines Selbstverständnisses steht. Dass er erfolgreich zu begehen ist, hat die jahrelang dümpelnde „Consumer Electronics“-Industrie gezeigt.

Angeführt, wenn nicht verführt durch das Beispiel des branchenfremden IT-Unternehmens „Apple“, das sich mit der erfolgreichen „iLife“-Produktstrategie seines CEO Steve Jobs nach Jahren der Krise neu erfand, entdeckten auch die CE-Konzerne eine neue Konsumentengeneration, die mit der Vernetzung und dem Internet aufgewachsen ist. Digitale und lückenlos mit einander vernetzte Komponenten für das traute Heim und „on the Road“, vom Flachbildschirm über den Digitalen Video-Recorder und den Media-Server bis zum MP3-Player, sind das Ergebnis. Die ebenso draht- wie mühelose Vernetzung mittels eines W-LAN-Moduls erledigen diese Komponenten weitgehend selbst, ohne menschliches Zutun. Die technische Komplexität dieser Entwicklungen wird also von ihrer Nutzung weitgehend entkoppelt. Und der Kunde bekommt, was er eigentlich will: digital vernetzte, mediale Unterhaltungsangebote – ganz auf seinen persönlichen Geschmack zugeschnitten.

Zweifellos wird diese Entwicklung die gesamte Telekommunikations-Industrie vor eine neue Herausforderung stellen, mit der verglichen die Einführung eines neuen Mobilfunk-Standards ein Kinderspiel ist. Wenn wir alle erst einmal gut vernetzt und medial kompetent Musik für jede Gelegenheit „downloaden“, die neuesten Filme als „Video On Demand“ ins Heimkino holen, wird ein gewaltiger Innovations- und Investitionsdruck auf die gesamte Infrastruktur der Telekommunikation entstehen. Denn die Nutzer, die dann aus dem eigenen Heim Bandbreite und Leistung „satt“ gewohnt sind, werden gleiches von der Infrastruktur der öffentlichen Breitband-Netze, ob für die mobile oder die stationäre Nutzung erwarten.

Nur wer heute schon weiß, wohin die Reise gehen wird, wer heute die richtungsweisenden Entscheidungen für die vernetzte Zukunft in seinem Unternehmen trifft, wird morgen in der Lage sein, diesem Druck nicht nur standzuhalten, sondern davon zu profitieren.

Und die Zeit drängt: Wenn der allenthalben besungene Aufschwung wirklich kommt, dürfte es für diesen Lernprozess bereits zu spät sein. Dann könnte der Wettbewerb mit dem eigenen Umbau fertig und für das E-Business besser gerüstet sein. Vernetzung wird also von einer technischen zu einer strategischen Aufgabe von höchster Priorität.

Ich habe mich dabei immer von einem Wort des Schweizer Marketing-Gurus Franz Sprecher leiten lassen, das ich Ihnen nicht vorenthalten möchte:

“Wenn Sie heute eine Vision haben, werden Sie morgen ein Geschäft daraus machen. Wenn nicht, werden Sie morgen überhaupt keine Geschäfte mehr machen.”

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