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Von ossiu am 17.07.08

Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk, Verleger und das Internet

Da haben sich also in München die Vertreter der großen deutschen Verlage von Springer über Gruner & Jahr bis zu Burda zusammen getan und eine "Münchner Erklärung" formuliert. Ziel dieses Papiers (sic!): Die Online-Aktivitäten der Öffentlich-Rechtlichen Rundfunkanstalten in Deutschland einzudampfen und radikal zu beschränken. Deren Angebote dürften im Web weder journalistischen Charakters sein, noch Ratgeber-Funktionen beinhalten und auf gar keinen Fall mit Werbung garniert werden, in jedem Fall aber nach 7 Tagen zu löschen sein. Eigentlich, so der Tenor der Erklärung, sollte das ZDF in Zukunft am besten nur noch die Mainzelmännchen im Internet zur Verfügung stellen.

Grund des grotesk anmutenden Ansinnens: Das bekanntlich aus Zuschauer-Gebühren finanzierte öffentlich-rechtliche Angebot gefährde die publizistischen Aktivitäten der privatwirtschaftlichen Presse im Internet. Mann will sich also einen unliebsamen Wettbewerber vom Hals schaffen. Verständlich - zumal keiner der erklärenden Verlage bislang auch nur ansatzweise ein ähnlich gelungenes, modernes und multimediales, zugegeben: auch aufwändiges Informations- und Unterhaltungsangebot im Internet an den Start gebracht hat, wie etwa die "Mediathek" des ZDF.

So weit, so durchsichtig, könnte man meinen und mit einer Bewegung des Zeigefingers Richtung Schläfe zur Tagesordnung übergehen. Doch der Sachverhalt und dessen Hintergründe sind komplexer und lohnen durchaus der Reflexion und Diskussion. Ganz und gar unabhängig von "Münchner" und anderen, durch das Eigeninteresse gesteuerter Erklärungen.

Das Öffentlich Rechtliche Rundfunksystem entstand in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg - übrigens nach dem Vorbild der englischen BBC, die jüngst im Web mit einem noch viel weiter gehenden Angebot als ARD und ZDF es realisiert haben, für Furore sorgte. Der historische Grund für den Aufbau öffentlich-rechtlicher Medien in Deutschland bestand also zum einen in der noch unter dem Eindruck des gerade besiegten Nazi-Regimes in Deutschland mehr als verständlichen Intention, den Rundfunk aus den Klauen des Staates und der Regierung zu befreien, um ihn von einem reinen Propaganda- zu einem unabhängigen, kritischen Informationsmedium zu machen. Der andere Grund: Die knappen Frequenzen für die damals einzig mögliche terrestrische Verbreitung von Radio und Fernsehen nicht zum Spielball wirtschaftlicher (Verleger-)Interessen werden zu lassen. Zumal deutsche Verleger die im Zweifelsfall (siehe Hugenberg) auch gern einmal in den Dienst politisch reaktionärer Meinungsmache gestellt hatten.

Beide Gründe sind heute, mehr als ein halbes Jahrhundert später, weitgehend hinfällig geworden. In Deutschland besteht heute weder die Gefahr eines privat-wirtschaftlichen Medien-Monopols, noch die Gefahr zu geringer Distributionskapazitäten für Radio und TV - wozu gerade das Internet in letzter Zeit zunehmend beiträgt. Und das zu Preisen, die auch kleine und kleinste Sparten-Sender im Web ermöglichen - vorausgesetzt Bayern bleibt mit seinen kruden Vorstellungen von einer "Streaming-Gebühr" für Web-TV-Veranstalter allein und treibt mit dieser eigenartigen "Standort-Politik" Web-TV-Veranstalter in benachbarte, freundlicher gesinnte Gefilde.

Die aktuell zu diskutierende Frage lautet also: Brauchen wir heute überhaupt noch einen Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk nebst "Zwangs-Pay-TV" (original-Ton Georg Kofler, Ex-Premiere-Chef)? Was mancher Zeitgenosse angesichts öffentlich-rechtlicher Trash-TV-Veranstaltungen zwischen Volksmusik und Quiz-Shows, die keinen Vergleich zum privaten "Unterschichten-Fernsehen" (Original-Ton Harald Schnidt) zu scheuen brauchen, ernsthaft bezweifeln dürfte. Aber wollen wir auch eine TV-Landschaft ohne "Tagesthemen" und "Aspekte", ohne "Tatort" und "Kleines Fernsehspiel"? Ist das Fernsehen also zwischen täglichen Brüll-Talks und abendlichen Schlüsselloch-Promi-Magazinen endgültig reif für den Müllhaufen der Medien-Geschichte?

Wer das nicht so sieht, wer ein öffentlich-rechtliches Angebot für eine sinnvolle Ergänzung der privatwirtschaftlichen Medien hält, der muss den Öffentlich-Rechtlichen auch Zugangsmöglichkeiten zu modernen Distributionsnetzen wie dem Internet gewähren. Denn Medien machen nur Sinn, wo sie ihre Nutzer auch erreichen und wo sie neue technische Möglichkeiten für innovative mediale Angebote nutzen können. Ob dazu auch eine die bereits saftigen Gebühren ergänzende Werbefinanzierung öffentlich-rechtlicher Publizistik zählt, steht auf einem ganz anderen Blatt und könnte durchaus ein Inhalt der notwendigen gesellschaftlichen Debatte über die Zukunft des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks in Deutschland sein.