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Ossi Urchs
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Von ossiu am 23.08.06

"Boob Tube" (according to GMSV)

Nun ist es also soweit: die Online-Video-Plattform YouTube hat ein eigenständiges Geschäftsmodell vorgestellt. Nicht einfach nur die klassischen Google-Anzeigen auf der Homepage, sondern etwas, das die Betreiber nun "Participatory Video Ads" (PVA) nennen. Erstes derart beworbenes Produkt: Paris Hilton. Nicht die Frau, sondern deren erste "musikalische" Gehversuche.

Der (zahlende) Werbetreibende kann in diesem Modell nicht nur einen Werbe-Clip, sondern sogar einen ganzen "Brand Channel" mit eigenen Inhalten füllen: TV-Spots, speziell für die Plattform produzierte Videos und ähnliches. Und die Nutzer können diese Inhalte, wie alle anderen Inhalte auch bewerten, kommentieren und "viral" weiter empfehlen. So kann der Channel, bzw. einzelne Inhalte daraus auch in die am "meisten gesehenen" und andere Charts der Plattform aufsteigen.

Interessant an dieser Entwicklung sind nicht unbedingt die ersten Test-Inhalte der Hotel-Erbin (Musik-Fans: "Obacht! Extreme Hörsturz-Gefahr!!!"), sondern das darunter liegende Konzept. Hier sind es nicht mehr die Werber, die irgendwelche "Messages" aussenden, sondern die daran interessierten Nutzer, die werbliche Inhalte abrufen. Fürwahr ein "Paradigmen-Wechsel" für die kommerzielle Kommunikation - den übrigens Nicholas Negroponte schon vor 10 Jahren in seinem inzwischen legendären Buch "Being Digital" prognostizierte.

YouTube ist damit aber nicht einmal der erste "Change Agent". Diese Medaille gebührt MySpace, was Pete Cashmore auf seinem Blog "Mashable" wie folgt kommentierte: "Nutzer können nun mit Marken Freundschaft schließen." Skeptischer zeigte sich Gartner-Analyst Allan Weiner gegenüber der LA Times: "Das bringt zwar schnelles Geld, löst aber nicht das grundsätzliche Problem mit den Nutzer-Inhalten selbst Geld zu verdienen." Aber wenigstens haben Werbetreibende nun die Möglichkeit selbst Teil der Nutzer-Community zu werden, hält YouTube Gründer Chad Hurley dagegen.

Schaumer mal, was die davon halten ... die ersten Kommentare sind jedenfalls nicht so eindeutig negativ wie wohl so mancher erwartet hätte.

Kommentare …

Die Werbungtreibenden werden es schwer haben. Nur selten waren sie bisher in der Lage, Werbung zu machen, die bei den Umworbenen wirklich ankommt. Letztlich hat Werbung auch nur dann eine Chance, ihren eigentlichen Zweck zu erfüllen.
Der Paradigmenwechsel als solcher durch Participatory Video Ads ist schon interessant. Er führt vom Opt-out, also Wegzappen oder Zum-Klo-Gehen bei TV-Werbung, Auflegen und Fluchen bei Telefonwerbung und Spam-Filtern zu Opt-in. Hier kommt nur rein, wer eingeladen ist oder zumindest eine Empfehlung der Community, vorzuweisen hat.
Das wird die Werbungtreibenden dazu bringen – hoffentlich -, über ihre Markenführung nachzudenken. Markenwerte/-positionen wie Vertrauen (bei Banken), guter Freund (Auto), Helfer in der Not (Versicherungen), Lebenselixier (Coke) etc. verwirklichen sich nicht mehr allein durch hochfrequent wiederholtes Behaupten, sondern durch erlebbares Verhalten. Die Marke agiert sozusagen von Mensch zu Mensch. Das ist übrigens nicht neu. Nur bislang meinten die meisten Markentechniker, ihre Marken rumpöbeln lassen zu dürfen. Dabei geht es doch um Verführung.
Die Frage am Ende ist: wird der Paradigmenwechsel wirklich stattfinden? Werden die Betreiber von Community-Plattformen nicht unter dem Druck von überforderten Werbetreibenden zum alten Muster à la TV-Werbung, Pop-ups etc. zurückkehren? Wegen des Geldes.
Ich glaube, das wird nur dann nicht der Fall sein, wenn möglichst schnell mit der Opt-in-Werbung wie den Participatory Video Ads Erfolge erzielt werden. Spektakuläre Erfolge.
Dazu müssen die Werbungtreibenden und Werbeagenturen von den Communities lernen, wie sie früher vom Zeitungsjournalismus und von Film- und TV-Formen gelernt haben. Angesichts von „Mentos & Diet Coke“ wird es den meisten schwer fallen, sich zu trauen. Aber da liegt die Chance. Die Tatsache, dass User selber Content schaffen, lässt sich ohnehin nicht mehr aus der Welt schaffen. So wenig wie die Tatsache, dass auch Journalisten in den „alten“ Medien ihre Ablehnung von beworbenen Produkten ab und zu verbreiten.
Zur Lehre, sich mit dem Medium zu arrangieren, seine Mittel für die eigenen Inhalte einzusetzen, kommt jetzt ein Entscheidendes hinzu: Opt-in statt Opt-out. Das „Ich fick dich schon glücklich, du wirst sehen“ der üblichen herkömmlichen Markenwerbung hat keine Chance mehr. Gut für die Umworbenen.

24.08.06 14:58   von Olli Tekniepe